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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Mordawin wußte nicht, ob er staunen oder wütend werden sollte. Solche Manieren konnte man nicht dulden, denn selbst wenn es jetzt legal war, trat Kolja auf eine Weise auf, wie es sich bislang nur Spekulanten und Kriminelle erlaubt hatten.
    Er zögerte, ob er den Neffen in scharfer Form zurechtweisen oder eine weitere Diskussion ablehnen sollte, da das Gespräch allein zu den Bedingungen des jungen Mannes geführt wurde, nämlich mit Begriffen wie »Firma« und »Kapital« und derlei Dingen, aus denen kein Mensch schlau werden konnte.
    Doch da kam Jelena zurück. Sie sah aus, als hätte sie sich mit kaltem Wasser gewaschen und frisches Make-up aufgelegt. Sie setzte sich hin und rückte dicht an ihn heran, so daß er die Wärme ihres weichen Schenkels spüren konnte. Er spürte ihre Absicht dahinter, und damit war nicht mehr von Kapital und Firma die Rede, sondern jetzt lautete die Frage, ob sie nach Hause gehen oder hierbleiben sollten. Da alle anderen sich sehr wohl zu fühlen schienen, flüsterte er Jelena einen Vorschlag ins Ohr, wobei er ihren Haarzopf im Nacken streichelte. Sie nickte kichernd. Er stand plötzlich auf, nahm seine Uniformjacke und sagte, sie seien müde, aber er hoffe, alle anderen amüsierten sich weiter wie bisher. Der junge Pjotr könne sich mit dem Nachhausekommen ruhig Zeit lassen.
    Er sah sich genötigt, von Kolja Geld für das Taxi zu leihen. Dieser zog lachend einen Stapel Rubelscheine aus der Tasche, der fast zehn Zentimeter dick war, und schälte einen Hundert-Rubel-Schein ab, ohne mit seinem ärgerlichen Lachen aufzuhören.
    Ola Ullsten galt nicht als glänzender Botschafter. Möglicherweise war dieses Urteil ungerecht und ging nur auf die lange Feindschaft zwischen ihm und dem sozialdemokratischen Staatssekretär im Außenministerium, Peter Sorman, zurück. Denn als es in den siebziger Jahren gleichsam aus Versehen zu einer kurzen Periode mit einer bürgerlichen Regierung gekommen war, war Ola Ullsten Außenminister geworden. Als einem der bürgerlichen Parteiführer mußte man ihm einen gewichtigen Ministerposten geben.
    Mit einer Art Arroganz des Siegers hatte er Peter Sorman lange auf eine neue Verwendung warten lassen, bis man diesem schließlich den Botschafterposten in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang angeboten hatte. In bürgerlichen Regierungskreisen hatte dieser Vorschlag große Heiterkeit ausgelöst. Diese Heiterkeit war durchgesickert, und damit hatte sich Ola Ullsten in Peter Sorman einen ewigen Todfeind geschaffen.
    Als die Sozialdemokraten die Regierungsmacht zurückeroberten, war selbstverständlich Ola Ullsten an der Reihe, unnötig lange auf der Warteliste zu stehen. Wer einmal Chef des Außenministeriums gewesen war, konnte jedoch kaum als unqualifizierter Botschafter betrachtet werden. Überdies mußte ein besiegter Parteiführer einen guten Posten erhalten.
    Nach langem Warten wurde es Kanada, wo sich die schwedische Botschaft durch einen weitläufigen Garten, angenehm großzügige Räumlichkeiten und relativ wenig Arbeit auszeichnete.
    Botschafter sollen jedoch von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden, und da Ola Ullsten am diplomatischen Leben inzwischen Gefallen gefunden hatte, war keine Rede davon, daß er in die Politik zurückkehrte.
    Und immer noch der Regel zufolge, daß Parteiführer passende Jobs haben müssen, hatte man ihm schließlich Rom zugeteilt. Es war eine kleine Botschaft, die am Ende zweier zusammenlaufender Straßen eingeklemmt lag, so daß ihr Grundstück, ein kleiner Park, wie ein Stück Torte aussah. Hinter dem Park lag die Königlich Schwedische Botschaft aus Beton und Glas, von außen recht unansehnlich.
    Die Augusthitze in Rom kann sehr unangenehm werden, vor allem weil sie oft nicht enden will. Und jetzt währte sie schon zwei Wochen. Es war kein glänzender Tag für ein Repräsentationsessen, vor allem deshalb nicht, weil schwedische Speisen gereicht werden sollten.
    Normalerweise hätte Ola Ullsten die beiden erwarteten Gäste relativ einfach zu einem Restaurantessen ausgeführt.
    Doch das ließ sich jetzt nicht machen, und das lag nicht am Klima. Eher war es aus Sicherheitsgründen und auch aus Taktgefühl undenkbar: Ola Ullsten hatte ein offizielles Dankeschön des italienischen Staates zu übermitteln, und das hätte in einem Restaurant recht albern gewirkt.
    Die beiden hatten ihre Ankunft sowohl genau wie ungenau angekündigt, »zwischen dreizehn und vierzehn Uhr«, und sich im übrigen am Telefon recht knapp geäußert, wie

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