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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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zumindest hörte er keinen Laut, und so pochte er entschlossen an die Tür. Sofort hörte er die Schritte seiner Frau. Er konnte sie an ihrem Gang erkennen. Er stellte zufrieden fest, daß sie hohe Absätze trug und folglich festlich gekleidet war. Sie strahlte ihn an, als sie aufmachte. Sie hielten einander lange eng umschlungen, ohne etwas zu sagen; zwei Monate sind eine sehr lange Zeit.
    Er merkte, daß sich noch andere Personen in der Wohnung befanden. Sie kamen vorsichtig hinzu, um ihn zu küssen und willkommen zu heißen. Es waren sein Neffe Kolja und dessen Frau, die er bisher nur ein paarmal gesehen hatte, und der Sohn Pjotr; damit war also schon ziemlich festgelegt, in welcher Reihenfolge die grundlegenden Freuden des Lebens stattzufinden hatten.
    Sie gratulierten ihm zu seiner Beförderung, die seiner Frau Jelena schon seit ein paar Wochen bekannt war. Aus diesem Grund hatten sie eine viel bessere Wohnung erhalten. Drei Zimmer! Sie entschuldigte sich dafür, daß alles noch nicht in Ordnung war, aber drei Zimmer! Dazu eine große Küche und eine eigene Toilette, und das Ganze mußte mit niemandem geteilt werden. Die Wohnung hatte einem Vizeadmiral gehört, der soeben in Pension gegangen war. Die Sowjetflotte hatte den ersten Zugriff gehabt. So war es, phantastisch, nicht wahr!
    Kolja entkorkte zwei Flaschen Sekt. Sie prosteten einander zu und lachten über den großen Glücksfall. Sie hatten tatsächlich Aussicht auf das Zentralstadion, und Kolja erklärte, die Restaurierungsarbeiten würden recht schnell gehen, da ein halbprivates Konsortium für den Neubau verantwortlich zeichne. Bald werde es im Sommer wieder Fußball geben und im Winter Bandy. Murmansk, das auf dem Gebiet des Sports bisher nicht gerade geglänzt hatte, würde sich mit Klang und Jubel zurückmelden.
    Sie hatten oben im Restaurant Panorama in der Nähe des Siegesdenkmals einen Tisch bestellt, und Kolja ging auf die Straße hinunter, um Taxis zu besorgen.
    Alexej Mordawin protestierte etwas lahm, sie könnten sich auch zu fünft in einen Wagen quetschen, wenn sie nur einen Wolga erwischten; es war schließlich eine unnötige Geldausgabe. Seine Frau wischte das mit einer Handbewegung beiseite. Einmal hatten sie ein Fest zu feiern, zum andern lud Kolja die ganze Familie ein und zahlte alles, vom Taxi bis zum Essen. Mordawin wandte ein, es sei unmöglich, daß ein junger Mann solche Ausgaben auf seine Kappe nehme, aber sie tat das nur mit einem Lachen ab und sagte, er habe von der neuen Zeit offenbar keine Ahnung. Der junge Mann war neuerdings Geschäftsmann, hatte Auslandskontakte und verdiente soviel Geld, daß es über den Verstand ging. So war nun mal die neue kommunistische Ordnung. Neuerdings konnte man auch ohne Korruption reich werden.
    Die sarkastischen Bemerkungen seiner Frau gefielen ihm nicht, aber Jelena hatte noch nie allzu große Neigung gezeigt, die Wirklichkeit auf ihren ideologischen Unterbau hin zu prüfen. Daß sie Parteimitglied war, sah sie selbst nur als die beruflich einfachste Möglichkeit an, Streit zu vermeiden, wenn man eine neue Arbeit oder in eine andere Stadt umziehen wollte. Wie hätte es der Familie sonst so leichtfallen sollen, von Sewastopol und der Schwarzmeerflotte über Leningrad und der Ostseeflotte bis nach Murmansk und zur Eismeerflotte zu kommen?
    Es wurde allmählich dunkel, als sie sich oben beim Restaurant Panorama aus ihren Taxis zwängten. Die untergehende Sonne verwandelte das große Siegesdenkmal in eine schwarze Silhouette. Das Restaurant hatte wie die meisten russischen Lokale dicke, zugezogene Vorhänge. Als sie es betraten, wurde es urplötzlich Nacht. Im Restaurant dröhnte lärmende westliche Musik.
    Kolja bewegte sich sicher und, wie es schien, mit einiger Übung. Er lotste die Gesellschaft fast onkelhaft gutmütig zu einem großen reservierten Tisch mitten im Lokal. Dann bestellte er sofort ein paar Flaschen russischen Sekt und eine große Karaffe Wodka sowie Gläser für alle, sogar für Pjotr, der erst siebzehn war.
    Sie tranken erneut auf Alexej Borisewitschs Ernennung zum Kapitän zur See und erkundigten sich nach den Speisen, aber es endete damit, daß Kolja für alle bestellte.
    Der Schnaps wärmte Alexej Mordawin, machte ihn schläfrig und betäubte überdies alles, was ihm unter normalen Umständen die Laune verdorben hätte. Manieren, wie sie sein Neffe jetzt an den Tag legte, hatten ihm schon immer mißfallen. Aber Kolja war ja noch jung, und wenn er jetzt an dem neuen System

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