Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
war ein angenehmer Geruch, ein sauberer Duft, der zugleich nach Technik roch. Wahrscheinlich kam er von dem neuen Ledersofa; Kolja hatte gesagt, es sei dänisch, und dänische Sofas röchen so, doch das lege sich mit der Zeit.
    Ihr Zuhause war schön geworden, das war nicht zu leugnen. Obwohl hier und da merkwürdige Kabel das Gesamtbild verunstalteten.
    Er ging mit Jelena in die kleine Küche, die tatsächlich nur eine Küche war. Sie diente also nichts anderem als der Zubereitung von Mahlzeiten. Sie halfen einander dabei, die eingekauften Waren auf der steinernen Arbeitsplatte aufzustapeln. Er bot an, ihr beim Schneiden der Pilze zu helfen, aber sie lachte nur und zog ihn mit sich ins Schlafzimmer, während sie gleichzeitig ihren Zopf löste. Unterwegs warf er seine Schirmmütze auf das angeblich dänische Ledersofa und tastete nach seiner Krawatte.
    Er träumte, als sie sich liebten. Er träumte von ihrer Zukunft, von Frühling und der Musik Tschajkowskijs, vom Duft der Birken in hellen Sommernächten und von allem, was sie einander damals gesagt hatten und was zum größten Teil sogar heute noch stimmte. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, daß er ihren Zopf nicht mochte. Sie behauptete, es habe vor allem mit der Arbeit im OP zu tun. Sie müsse alles Haar aus dem Gesicht bekommen, und sie habe ja so dichtes Haar. Doch das stimmte nicht. Es war ein prickelndes Gefühl, ihren dicken Zopf in die Hand zu nehmen und sie an sich zu ziehen. Jetzt lag ihr langes blondes Haar auf den neuen Kopfkissen, die mit Daunen gefüllt waren oder etwas, was dem Geruch nach an Seevögel erinnerte. Es machte ihn ein bißchen verlegen, daß es immer noch hell im Zimmer war, aber sie lachte wieder nur. Du dummer Kerl, sagte sie, wir sind jetzt ja ganz allein, wir sind wieder im Birkenwald außerhalb von Leningrad.
    Das heißt jetzt wieder St. Petersburg, wandte er ein, doch dann sagte er lange Zeit nichts mehr. Später fühlte er sich sehr glücklich, schlaff, aber glücklich. Der Schweiß trocknete an ihren Körpern, und er zitterte leicht wie unter einer merkwürdigen Kälte. Ausgerechnet er, der jeder Kälte standhalten konnte, denn immerhin war er Winterschwimmer. Doch das hier war eine erregende, wunderbare Kälte, etwas völlig anderes als Eis. Ihn überkam das merkwürdige Gefühl, genau in diesem Augenblick den Höhepunkt seines Lebens erreicht zu haben; dies war der beste Augenblick seines Lebens, genau jetzt. Sie lag mit dem Gesicht auf seiner Brust still da, und er strich ihr sacht übers Haar. Draußen wurde es schnell dunkel. Die dunkle Jahreszeit näherte sich.
    »Nein, so geht das nicht mehr weiter, wir verhungern«, sagte sie plötzlich und sprang erstaunlich geschmeidig aus dem Bett, schnappte sich einen Morgenrock und verschwand in der Küche.
    Er sah ihr verblüfft nach, legte die Arme unter den Kopf und schloß die Augen. Sie waren seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet. War es allen Paaren vergönnt, noch nach zwanzig Jahren so zu lieben?
    Die eigenartige Kälte kam wieder angekrochen, und so zog er die zerknüllte Decke über sich, aber der Zauber war gebrochen. Er hörte, wie sie in der Küche hantierte. Er würde bald ebenfalls aufstehen, um ihr bei den Pilzen zu helfen, wie er es versprochen hatte. Der Platz eines Mannes war gewiß nicht in der Küche, aber bei Pilzen war es anders. Frauen verstanden sich nicht auf derlei.
    Er hatte einen Vertrag unterschrieben. Einen Vertrag, der vom Kommandeur des Wehrbereichs gebilligt worden war. Dieser wußte sehr wohl, was für ein Kommando Alexej Mordawin hatte. Insoweit war alles in Ordnung.
    Die norwegische M & N-Stahl AG hatte einen Vertrag mit ihm gemacht, und bei der Unterschrift hatte er völlig legal zweitausend Dollar in bar erhalten. Der Wehrbereichsstab hatte auf Anfrage sogar zugestanden, ihm bei seinem geheimen Kommando kürzere Arbeitsschichten zu gewähren, damit er bei den ersten Bergungsarbeiten im Fjord helfen konnte. Ein Hebekran war von Sewerodwinsk unterwegs und würde wohl bald da sein; falls es auf der letzten Strecke Treibeis gab, würden Eisbrecher assistieren. Im Fjord selbst gab es niemals Probleme mit Eis.
    Er zog sich einen der neuen Morgenmäntel an, ging ins Wohnzimmer und blickte aus dem Fenster. Das Zentralstadion lag noch immer in chaotischem Durcheinander da. Aber immerhin hatten sie einen Balkon auf dieser Seite. Sobald das Stadion fertig war, hatte er mit seiner Familie eine eigene Loge, wenn es Bandy-Spiele gab. Wenn es kalt war,

Weitere Kostenlose Bücher