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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Geschäftsfrau; gerade das liebte er so an ihr, daß sie gelegentlich aus der Rolle der perfekten Direktorin fallen und zu einer Anna Magnani werden konnte. »Nun, wie kann ein Sohn seiner Mutter so etwas antun?« Er erklärte, ein Mann habe eine gewisse Verantwortung, und es gebe Dinge, die eine Mutter einfach nichts angingen. Er habe eine lästige Liebesgeschichte beendet, basta.
    Die Tanten schlugen sich auf die Seite seiner Mutter, und die Onkel gaben ihm recht. Wie würde es in der Welt aussehen, wenn ein Mann nicht mehr Mann sein dürfe, fragten sich die Onkel.
    Wie würde es in der Welt wohl aussehen, wenn Jungs ihre Eltern behandeln könnten, wie sie wollten, wandten die Tanten ein, die unter Eltern offenbar nicht diesen Schweden meinten, Luigis Vater. Man tolerierte ihn zwar, betrachtete ihn aber in allen Dingen, die geheiligt waren, als nicht ganz richtig im Kopf. Alle waren wütend aufeinander, und alle liebten einander trotzdem und würden zusammenhalten, bis der Tod sie trennte.
    Luigi fragte sich, ob sein schwedischer Vater je all das verstehen würde. Der Ärmste war immer so konfliktscheu und stand bei solchen Auseinandersetzungen immer abseits.
    Lange, nachdem Großvater schreiend und gestikulierend hinausgeführt und von den Dienstboten ins Bett gebracht worden war, standen sie taumelnd vom Tisch auf. Während Onkel und Tanten sich zu verabschieden begannen, eine Prozedur, die mindestens eine halbe Stunde dauern konnte, trat sein Vater zu ihm, faßte ihn entschlossen an den Schultern, führte ihn auf einen der Balkone und begann auf der Stelle, schwedisch zu sprechen. Ein sicheres Anzeichen dafür, daß es jetzt ernst wurde.
    Es war recht spät, und auf dem Marktplatz unter ihnen zeigten sich die ersten herbstlichen Nebelschwaden. Nur wenige Menschen waren unterwegs. Die illuminierte stattliche Kathedrale nahm das ganze Blickfeld ein.
    »Wie war das eigentlich mit dieser Liebesgeschichte?« fragte sein Vater trocken.
    »Oh, danke«, erwiderte Luigi mißtrauisch, »sie ist jetzt jedenfalls vorbei.«
    »Ja, das hoffe ich wirklich. Daß es vorbei ist, meine ich«, sagte sein Vater mit abgewandtem Gesicht. »Wie du weißt, bin ich kein Idiot, obwohl das in dieser Familie die allgemeine Meinung zu sein scheint.«
    »Ach was«, sagte Luigi, »du weißt doch, wie sie sind. Sie meinen es nicht böse. Du bist Ausländer, das ist alles, obwohl wir Italiener bedeutend toleranter sind als die meisten anderen Völker. Nicht einmal Mussolini war Rassist.«
    »Ihr Italiener?«
    »Jaja. Schwede bin ich natürlich auch. In Stockholm bin ich Schwede, aber hier in Mailand Italiener. Das ist recht praktisch. Ich habe nichts gegen Kohlrouladen, wenn wir sie in den Stockholmer Schären essen. Mit Schnaps dagegen ist es etwas anderes. Dazu kriegst du mich nicht, nicht mal zu Krebsen. Man kann beispielsweise Frascati zu Krebsen trinken, kein Problem«, versuchte Luigi dem Thema zu entkommen. Er ahnte, daß da noch etwas war, worauf sein Vater in seiner etwas umständlichen schwedischen Art hinauswollte.
    »Und jetzt zur Sache«, sagte sein Vater.
    »Und was ist die Sache?« seufzte Luigi.
    »Ich kann nicht umhin, einige Informationen zusammenzuzählen. Bei einer Wehrübung bist du ja nicht gerade gewesen. Du bist nämlich nicht in Schweden gewesen. Ich würde meinen, du warst auf Sizilien.«
    Luigi zögerte. Er erkannte, daß er sich entscheiden mußte, denn die Frage war damit schon ausgesprochen. Doch zunächst versuchte er, Zeit zu gewinnen.
    »Und was läßt dich glauben, daß ich ausgerechnet auf Sizilien gewesen bin?« fragte er mit einer Lässigkeit, die leicht zu durchschauen war.
    »Schwedisches Militär hat dort unten ziemlich gewütet. Du bist Fallschirmjäger und noch etwas, worauf ich nie den Finger habe legen können, und außerdem sprichst du italienisch.«
    »Laß uns um der Diskussion willen einmal annehmen, du hättest recht«, begann Luigi nachdenklich. »Dann mußt du einsehen, daß du nach Dingen fragst, bei denen ich als Offizier der Schweigepflicht unterliege. Ich hätte dich nur angelogen.«
    »Ein gewisser Fregattenkapitän Hamilton hat in letzter Zeit erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er hat dort unten in Palermo auf einer Pressekonferenz etwas gesagt, das mir aus einem bestimmten Grund aufgefallen ist«, fuhr sein Vater still fort, als hätte er keinen Einwand gehört.
    »Aha«, sagte Luigi, »und was sollte das sein?«
    »Daß wir beim schwedischen Nachrichtendienst neuerdings über

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