Niemandsland
Erik Ponti voller Eifer. Er hatte zum ersten Mal das Gefühl, die Oberhand zu gewinnen.
Carl schüttelte den Kopf, und Erik Ponti zeigte vielsagend auf das Mikrophon, da ein Kopfschütteln im Radio nicht zu hören ist.
»Es ist denkbar, daß ich in dieser Hinsicht schon zuviel gesagt habe«, erwiderte Carl unangenehm berührt. »Dann gibt es keinen Grund, die Situation noch mehr zu verschlimmern. Wenn ich zum Kernpunkt meiner Aussage zurückkommen darf, so hat Schweden bei mehreren Gelegenheiten gezeigt, daß die Kosten größer sind als der Nutzen, wenn man schwedische Geiseln nimmt. Wenn die Welt gut wäre, würden Mitbürger nie in so eine Situation geraten. Die Welt ist zwar gewiß nicht gut, aber ich glaube trotzdem, daß es jetzt eine Zeit dauern wird, bevor wir uns wieder um irgendwelche schwedischen Geiseln draußen in der Welt Sorgen machen müssen.«
»Denn wir haben zwar keine Delta Force, ziehen aber mit drei Mann ins Feld?« fragte der Echo -Chef lächelnd.
»Wir haben in unserer Abteilung eine sehr hohe Bereitschaft und können nach sehr kurzer Vorwarnzeit eingesetzt werden, falls die Regierung sich dafür entscheidet«, stellte Carl kurz angebunden fest, da ihm das ironische Lächeln und die Anspielung auf die Delta Force nicht gefielen.
»Seid ihr ebenso gut wie die Delta Force?« fragte der Echo- Chef weiter, der bemerkte, daß Carl bei diesem Vergleich eine gewisse Schwäche zeigte.
»Ja, aber wir sind zahlenmäßig schwächer«, erwiderte Carl irritiert. Er bereute seine Offenheit und beschloß, seine Geduld wiederzugewinnen und alles zu erklären, auch wenn es sich um selbstverständliche Dinge handelte. »Denn jedes Land mit einem hohen technologischen Niveau bei seinen Streitkräften verfügt auch über Spezialisten verschiedener Art. Ich bin überzeugt, daß es zum Beispiel russische Truppen gibt, die in etwa den gleichen Standard halten, so die Spezialtruppe des KGB, ALFA. Das gleiche gilt für Großbritannien, Frankreich und einige andere Staaten, Israel vielleicht. Was Schweden betrifft, haben wir punktuell einen guten Standard, etwa bei der Luftwaffe, der Marine und beim Nachrichtendienst. Es ist ja kein Geheimnis, daß wir auf einem technisch so fortgeschrittenen Gebiet wie der Funküberwachung in der Spitzengruppe liegen. Die operative Abteilung des OP 5 ist also in jeder Hinsicht mit einer Delta-Force oder ALFA-Gruppe oder einer Einheit des SAS vergleichbar. Der Unterschied ist, wie ich schon sagte, rein quantitativ.«
Er atmete auf. Er hatte das Gefühl, als hätte er seinen Schnitzer von vorhin zumindest notdürftig wiedergutgemacht. Die nachdenklichen Mienen der Journalisten und ihr Blick auf die Studiouhr deuteten dies ebenfalls an.
Journalisten brauchen zum Schluß jedoch immer einen kleinen Knalleffekt, und sie hatten noch zwanzig Sekunden zur Verfügung.
»Eine letzte Frage, noch einmal zurück nach Sizilien, zu den Ereignissen, die zu diesem Gespräch geführt haben«, sagte Erik Ponti ein wenig gezwungen. »Wie viele Menschen habt ihr da unten eigentlich getötet, also nur ihr drei?«
Carl schnappte nach Luft. Die Wahrheit war, daß er es nicht wußte, aber diese Antwort würden die beiden nicht gelten lassen, das war ihm klar.
»Die schwedische Einheit auf Sizilien hat unter wechselnden Formen gegen vierzehn Männer gekämpft. Auf unserer Seite endeten die Kämpfe mit einem Toten, auf der Gegenseite mit dreizehn Toten und einem Verwundeten«, erwiderte er ruhig und ohne besondere Betonung.
Er hatte in diesem Moment keine Ahnung, ob seine Angaben den Tatsachen entsprachen. Er versuchte zu zählen, verlor jedoch schnell die Konzentration, weil Journalisten und Pressefotografen ins Studio quollen und durcheinanderzureden begannen.
Vor dem Studio herrschte großes Gedränge, da dies der erste öffentliche Auftritt Carl Hamiltons seit langer Zeit war. Für die Journalisten gab es jetzt keinerlei Zweifel mehr, was den Nachrichtenwert betraf. In fast allen Fragen, die Carl zu hören bekam, ging es um Peter Sorman vom Außenministerium. Jeder wollte wissen, wann und wie Sorman gelogen hatte. Carl erkannte, daß er sich nicht darauf einlassen durfte. So schüttelte er nur den Kopf und setzte die Schirmmütze auf, um anzudeuten, daß er das Studio jetzt verlassen wollte. Er drängte sich sanft, aber bestimmt durch die Menge der Fotografen und Reporter, ohne ein Wort zu sagen. Ein Stück weiter im Korridor, auf dem Weg zu den Fahrstühlen, hatte er es nur noch mit ein paar
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