Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
überhaupt, ist das Sache der Regierung. Die holen damit vielleicht noch ein paar Stimmen mehr. Ich meine, das hast du doch vorhin gesagt, daß so etwas der amtierenden Regierung nützt«, murmelte Carl.
    »Jaja«, sagte Samuel Ulfsson, »doch das hat Zeit bis später. Von jetzt an überwachen die Nachrichtenmedien vor Ort unten am Boden den Ablauf der Ereignisse besser als wir. Ich gehe also zum OB und sage, daß es passiert ist. Sie werden es in spätestens zehn Minuten im Radio bringen. Keine signifikante Tätigkeit im baltischen Küstengebiet, kein Anlaß zu einer schwedischen Mobilmachung, es sei denn aus politischen Gründen. Ja, das war’s dann wohl.«
    Es klang wie eine sehr dürftige Zusammenfassung eines Weltereignisses. Sie hörten es beide und lächelten sich fast verlegen an.
    »Bevor wir auseinandergehen, habe ich einen Vorschlag, der eine etwas unwichtigere Frage betrifft. Na ja, es geht um etwas, das man zumindest in diesem Zusammenhang als kleinere taktische Disposition deinerseits bezeichnen könnte«, sagte Samuel Ulfsson und zündete sich an der Glut der soeben aufgerauchten Zigarette eine neue an. »Wir müssen auch an unser Haus denken. Ich meine, die jetzigen Weltereignisse erwecken ja nicht gerade den Eindruck, daß wir den schwedischen Nachrichtendienst unbedingt in der näheren Zukunft gegen Null fahren sollten.«
    »Nein«, sagte Carl wenig interessiert, »dann sollten wir vielleicht Stålhandske und Bertoni herbeordern, auf die Krim fliegen und Gorbatschow vor dem Märtyrertod retten.«
    »Fabelhafter Gedanke«, sagte Samuel Ulfsson eingeschnappt, »aber aufrichtig gesagt halte ich das nicht für ein realistisches Vorhaben. Scherz beiseite. Ich habe gedacht, daß du dich am besten revanchieren solltest.«
    »Verzeihung«, sagte Carl, »ich glaube, ich habe nicht recht verstanden. Verzeih mir, falls ich den Eindruck… ich weiß nicht, wie ich im Augenblick auf dich wirke, aber ich finde das Ganze verdammt traurig. Okay, ich reiß mich jetzt zusammen. Wiederhol den Satz bitte.«
    »Also, jetzt bricht die Hölle los. Im Rundfunk und im Fernsehen melden sich jetzt all diese Weltuntergangspropheten, obwohl nicht einmal wir genau wissen, wie es weitergehen wird.«
    »Ja, selbstredend. Und was haben wir damit zu tun?«
    »Nun, jeder Dozent hier an der Militärhochschule, ob nun die Experten für die Feldstrategie der 1880er Jahre oder der Luftlandetruppen oder der Marineinfanterie, wird jetzt die Mattscheibe füllen. Du weißt doch, der Krieg gegen den Irak.«
    »Ja. Und?«
    »Ich habe mir gedacht, du solltest unser Sprecher sein.«
    »Unser?«
    »Ja. Des Nachrichtendienstes. Das haben wir noch nie getan.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach sagen?«
    »Was wir wissen und was wir nicht wissen. Aber nicht unbedingt alles darüber, wie und warum wir wissen und nicht wissen. Das ist, wenn ich so sagen darf, eine sehr klare Anweisung.«
    »Ja, das ist es. Doch dann zur Frage: warum?«
    »Es gibt mehrere Gründe. Erstens bin ich der Meinung – ich verbitte mir ironische Kommentare und dein maliziöses Lächeln, und das ist ein Befehl –, erstens bin ich der Meinung, daß wir den Steuerzahlern viel zuviel vorenthalten. Sie sind es nämlich, die rund eine Million für Überstunden hinblättern müssen, die wir in den letzten vierundzwanzig Stunden gekostet haben. In dem Fall sind unsere Erkenntnisse die ihren, das ist doch gar keine Frage. Wegen der Steuerzahler haben wir die Erkenntnisse gewonnen, die uns sagen, wir sollten beispielsweise nicht mobilmachen. Warum sollen sie es nicht erfahren?«
    »Hast du das Recht, das zu entscheiden?« fragte Carl ohne die mindeste Ironie und auch ohne jedes Anzeichen seines früheren Desinteresses oder von Müdigkeit.
    »Ich werde es dem Oberbefehlshaber jetzt sagen, wenn ich zu ihm gehe und ihm einen Vortrag halte. Er ist ein kluger Mann, so daß wir uns wohl einig werden, denke ich. Und dann ist da noch die Sache mit deiner Revanche, hehe.«
    »Was soll das hehe?«
    »Nun, dieser Einfall, das Echo des Tages dazu zu benutzen, sich einen Todfeind in Gestalt des wichtigsten Außenpolitikers der Sozialdemokraten zu machen, war doch keine Taktik, die du von Alexander dem Großen hast, oder?«
    »Nein, ich habe einfach einen Schnitzer gemacht. Manchmal läßt sich nur schwer unterscheiden, was die tatsächliche Wahrheit und was die in der Öffentlichkeit geltende Wahrheit ist, und das weißt du sehr wohl. Na schön, ich will mich nicht herausreden. Ich hätte

Weitere Kostenlose Bücher