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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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das lieber nicht sagen sollen.«
    »Nein, denn jetzt sind sie hinter dir persönlich her, und das bedeutet, daß sie den Umweg über irgendeine Abteilung bei uns nehmen, die sie mehr oder weniger zu Recht mit dir in Verbindung bringen.«
    »Ja. Und jetzt haben die Russen sich sozusagen selbst besetzt, so daß die amtierende Regierung erheblich bessere Aussichten bei der Wahl hat. Aus diesem Grund soll ich ins Fernsehen und schon wieder den Fuß in den Mund stecken?«
    »Den Fuß in den Mund stecken?«
    »Ach, entschuldige, ich bin müde. Das ist ein Anglizismus, mich also wieder danebenbenehmen.«
    »Wenn das Thema deiner Auslassungen etwas stärker eingegrenzt wird, verringert das sicher das Risiko.«
    »Möglicherweise. Aber was soll das Ganze?«
    »Erstens das, was ich gesagt habe, daß wir tatsächlich eine Möglichkeit zur Informierung der Menschen haben, die wenigstens dieses eine Mal völlig problemlos ist. Ich meine, dem stehen nur konservative Vorstellungen im Weg, daß alles, was wir an Erkenntnissen gewinnen, grundsätzlich geheim bleiben sollte. Es ist richtig, den Weltuntergangspropheten entgegenzutreten, die jetzt überall im Land wach werden und in die Fernsehstudios eilen, um vom Jüngsten Gericht zu geifern. Außerdem könntest du eine andere Seite unserer Tätigkeit zeigen.«
    Carl senkte den Kopf, lächelte und biß sich auf die Lippe, um nicht laut loszulachen. Er erkannte, daß sein Chef da einen vollwertigen Punkt gelandet hatte. Was in den letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war, das war schwedischer Nachrichtendienst. Der Öffentlichkeit stellte es sich jedoch so dar, als wäre das, was etwa auf Sizilien passiert war, die typische Beschäftigung des schwedischen Nachrichtendienstes.
    »Na schön«, sagte er, »unleugbar eins zu null für dich. Sie sind der Meinung, man sollte mich und überflüssige internationale Abenteuer einstellen, aber es besteht die Gefahr, daß sie auch unsere Datenanalyse einstellen wollen. Es besteht also die Gefahr, daß sie das Kind mit dem Bade ausschütten. Ungefähr so?«
    »Ungefähr so.«
    »Und wohin werde ich befohlen?«
    »Nimm die größte Nachrichtensendung. Ich weiß nicht, ob es Rapport oder Aktuellt ist. Wahrscheinlich Aktuellt, da die am besten sind, aber das ist nicht so wichtig. Achte nur darauf, daß du den Laden mit den Weltuntergangspropheten ausfegst. Geh nach Hause, mach dich ein bißchen hübsch, und dann stichst du in See. Vergiß nicht die Uniform.«
    Sie standen gleichzeitig auf, nickten und gingen in verschiedene Richtungen. Der eine, um den Oberbefehlshaber, der andere, um die Allgemeinheit zu unterrichten.
    Es hätte Rapport sein müssen, die Sendung, die im Gegensatz zu Samuel Ulfssons Vorstellungen mehr als doppelt so viele Zuschauer hat wie Aktuellt. Doch Rapport hatte gerade kraft seiner Größe unter der wachsenden Schar geneigter militärischer Schlaumeier den richtigen Fang gemacht. Wie andere westliche Länder war auch Schweden in den letzten Jahren infolge der Kriegsdarbietungen des internationalen Fernsehens mit selbsternannten Militärexperten gesegnet worden. Und Rapport hatte sich jetzt den Friedensforscher gesichert, der gerade en vogue war, einen bärtigen jungen Mann, der seit mehr als drei Jahren warnte, in Moskau könne sich jederzeit ein Staatsstreich ereignen.
    Bei den Äther-Medien kam jedoch kein Mensch auf den verrückten Einfall, den militärischen Nachrichtendienst des Landes anzurufen, um einen sachkundigen Militärexperten zu gewinnen. Jeder wußte, daß man von dort nie eine andere Antwort erhielt als »kein Kommentar«.
    Carl war in Erwartung von Anrufen, die nicht erfolgten, auf den Fluren auf und ab geschlendert. Von Zeit zu Zeit ging er zu Beata hinein, die ihm aber keinen Trost spenden, sondern nur mitleidig den Kopf schütteln konnte. Als die Rapport-Sendung begann, war immer noch keine Anfrage gekommen. Inzwischen gab es gute Gründe für die Annahme, daß alles, was sich bewegen, sprechen und gleichzeitig eine Uniform tragen konnte, für die schwedischen Äther-Medien mobilisiert war.
    Carl sah sich die Sendung mit Beata an. Das Telefon befand sich in Griffweite. Was sie sahen und hörten, verblüffte und entsetzte sie zugleich. Der junge Friedensforscher versicherte in vollem Ernst, jetzt sei absolut sicher, daß die Welt für dreißig und vielleicht sogar vierzig Jahre in den Kalten Krieg zurückgeworfen worden sei. Es seien militärische Blitzaktionen zu erwarten, zunächst gegen die baltischen

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