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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Einwände, ohne jedoch direkt nein zu sagen, denn das wollte er nicht. Er jammerte voller Selbstmitleid, wie er ihr Essen zubereiten solle. Was solle er ihr überhaupt vorsetzen, wo es jetzt nicht mehr nur um Milch und Karottenpüree und die Dinge gehe, die er schon kenne?
    Sie lachte ihn fröhlich und vollkommen aufrichtig aus, und das löste vermutlich einige Knoten. Sie wies darauf hin, wenn er jetzt schon fähig sei, für Einsätze größeren Stils gegen Großganoven unten in Palermo Logistik und Planung zu organisieren, müsse es doch mit dem Teufel zugehen, wenn es ihm nicht gelänge, das Füttern eines Kindes und die Beseitigung von Babywindeln zu organisieren.
    Er gab ohne weiteres und sogar recht amüsiert zu, dieses Argument sei nicht ohne, wenn auch etwas brutal. Fast nebenbei flocht er ein, er habe ein neues Haus auf dem Lande gekauft. Dort gebe es viel Platz und ein eigenes Zimmer für Johanna Louise, sowohl jetzt wie in Zukunft, und außerdem Hirsche im Park. Doch dann hielt er einen kurzen Moment inne, bevor er auf Tennisplatz und Swimmingpool kam, denn irgendwie schämte er sich ihres ungleichen materiellen Standards.
    Falls sie sich deswegen verletzt fühlte – was im Grunde kaum wahrscheinlich war, denn sie hatte sich seiner ebenso unbeholfenen wie wohlwollenden Versuche erwehrt, sie mit Geld zu überschütten – zeigte sie sich jetzt jedenfalls nur froh und überrascht und erklärte, allmählich nehme alles Gestalt an.
    Aus einer plötzlichen Eingebung heraus fragte er, ob er Johanna Louise über das Wochenende ausleihen dürfe. Es war ein Zufall, daß er gerade dieses Wort gebrauchte. Seine Reue kam zu spät. Eva-Britt lachte und sagte, sie hätte schon geglaubt, er werde nie fragen. Sie habe sich jedoch auf die Möglichkeit eingestellt, denn wenn er mal richtig hinsehe und seine vermeintlich analytische Beobachtungsgabe einsetze, werde er erkennen, daß für diese Eventualität schon alles vorbereitet sei.
    Unter dem Kinderwagen lag eine vollgepackte Tasche. Er zeigte darauf, und Eva-Britt nickte fröhlich und sagte, dort befinde sich alles, was er brauche.
    »Ich stelle aber eine Bedingung«, erklärte sie verschmitzt, worauf er mit ihrer gewohnten Zeichensprache antwortete und mit der Hand eine rotierende Bewegung machte, die etwa bedeutete, okay, sprich weiter, ich höre zu.
    »Als Gegenleistung mußt du sie am Montag in die Kindertagesstätte bringen. Ich habe nämlich gerade einen Platz bekommen.«
    Als er fragte, wie sie das so schnell geschafft habe, erwiderte sie mit gespielter Strenge, es sei doch nicht schwer zu verstehen, daß eine alleinstehende Polizistin als Mutter an den langen Wartelisten vorbeikomme.
    »Die Tagesstätte liegt in der Gamla Stan, nur ein paar Minuten von…« Um ein Haar hätte sie »zu Hause« gesagt, nannte dann aber die alte Adresse. »Zu Anfang muß sie nur zum Eingewöhnen hin, nur ein paar Stunden am Vormittag.«
    Ihm graute ein wenig, aber nicht, weil der Auftrag ihm schwierig erschien, sondern aus Gründen, über die zu sprechen quälend war, aus Gründen, die beide nicht aussprechen wollten, obwohl beide spürten, daß der andere die gleichen Überlegungen anstellte; beide waren bewaffnet und beide sahen sich von Berufs wegen, vielleicht reflexhaft natürlich, ständig um. Er hätte einwenden können, daß es Johanna Louise ihre Anonymität in der Kindertagesstätte rauben würde, wenn Graf Dracula mit ihr erschien.
    Man konnte ihr dennoch ihre Identität nicht rauben, ob ihr Nachname nun Jönsson oder Hamilton war. Sie würde auf absehbare Zeit ein potentielles Entführungsopfer bleiben.
    Sie zogen es vor, nicht darüber zu sprechen. Beide waren sich sehr wohl bewußt, daß der andere genauso Bescheid wußte und dachte und daß die Diskussion über das Thema nichts am Problem ändern würde.
    Eva-Britt sprach dann unbeschwert weiter von all den Dingen, von denen sie noch vor kurzer Zeit das Gefühl gehabt hatte, es sei so gut wie unmöglich, ruhig und vernünftig darüber zu sprechen.
    »Ich werde nächste Woche umziehen. Nein, Johanna Louise bleibt in derselben Tagesstätte. Sie liegt sowieso auf dem Weg zur Arbeit, so daß es keinen Unterschied macht. Ich schlage vor, daß wir die Wohnung nacheinander ausräumen. Wenn ich fertig bin« – sie kicherte bei dem Gedanken an seinen Waffenschrank und andere Dinge, die die Umzugsleute sicher amüsieren würden – »wenn ich mit meinem einfachen Umzug fertig bin, kannst du deine Probleme lösen. Ich habe ja

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