Niemandsland
USA. Es würde uns sehr, sehr enttäuschen, wenn ihr uns nicht helft. Wir wären sehr enttäuscht, geradezu sauer.«
»Das ist ja eine furchtbare Drohung«, brummelte Samuel Ulfsson mißbilligend. Er fand die Angelegenheit auch so schon ernst genug.
»Hör mal, warte nur«, fuhr Texas Slim mit der gleichen zufriedenen Miene fort. »Denn wenn die gesamte verdammte Regierung der USA sehr, sehr von euch enttäuscht ist, bekommt ihr in mancherlei Hinsicht gewaltige Schwierigkeiten. Du solltest mich jetzt fragen, in welcher Hinsicht, aber das können wir überspringen. Vor allem in folgender Hinsicht: Ihr seid dabei, die Hälfte eures gottverdammten Bruttosozialprodukts für einen raffinierten kleinen Jäger auszugeben. Ich habe sagen hören, daß es eine feine Maschine sein soll. Sie soll sogar in Kreisen um die MIG 29 herumfliegen können. Aber für diese Maschine braucht ihr die Luft-Luft-Raketen der neuesten Generation von uns, AMRAM. Die müßt ihr genauso bei uns kaufen wie unsere SIDEWINDER-Raketen. Nicht wahr?«
»Doch, das dürfte schon stimmen«, stellte Samuel Ulfsson mißtrauisch fest. »Und?«
»Und wenn wir sehr, sehr sauer auf euch werden, müßt ihr euch mit einer Maschine begnügen, die fabelhaft fliegt, dafür aber unbewaffnet ist. Hervorragende Investition, wie mir scheint. Eure Flieger werden dir den Arsch aufreißen, wenn sie herausfinden, daß es deine Schuld ist.«
»Danke für die Erpressung, obwohl ich glaube, daß sie gar nicht nötig ist. Die Situation ist ja auch ohne solche Übertreibungen ernst genug. Es wäre ein Overkill, könnte man sagen. Ich habe eine Frage.«
»Ja, schieß los!«
»Wissen wir, wo dieses Schmuggelvorhaben stattfinden soll?«
»Ja. Ungefähr dort, wo hoch oben im Norden Norwegen, Finnland und die Sowjetunion aneinandergrenzen.«
»Zeitpunkt?«
»Vermutlich im Dezember. Das hat mit den Lichtverhältnissen und anderem zu tun.«
»Zahl der Personen, die an der Schmuggelexpedition teilnehmen?«
»Schwer zu sagen, aber wohl kaum mehr als zwanzig.«
»Wessen menschliche Gewebereste sollen zerstört werden?«
»Du hast schon verstanden. Muß ich das wirklich erklären?«
»Nein, ich glaube nicht. Ist mir schon klar. Ja, ich würde schon sagen, daß wir über die technischen und materiellen Ressourcen verfügen, dieses Projekt durchzuziehen. Ja, ich glaube, daß wir uns darauf einrichten müssen, dabei mitzumachen. Ich denke, wir werden bei unserem Entscheidungsprozeß die praktischste Lösung finden. Und wenn das nicht möglich ist, werden wir die zweitpraktischste nehmen müssen.«
»Wann kann ich Bescheid erhalten?«
»Du hast soeben Bescheid erhalten.«
Samuel Ulfssons Antwort hörte sich endgültig an. Damit war die Sache bis auf weiteres ausdiskutiert. Er erhob sich, jedoch nicht aus mangelndem Interesse an weiteren Details, sondern weil er eher aus sozialen oder psychologischen Gründen Unbehagen verspürte. Diese Begegnung hatte ihm nicht gefallen.
Sie gaben sich die Hand und trennten sich ohne weitere Worte. An der Tür übernahm Beata den Besucher und half ihm durch alle Sicherheitskontrollen und Sperren hinaus.
Johanna Louise lachte und lallte ihm aus dem Kinderwagen fröhlich entgegen, als wäre nichts passiert, als wäre er nur kurze Zeit verreist gewesen. Er erwiderte das Geplapper, beugte sich von Zeit zu Zeit über die Kleine und sprach in einer vermeintlich kindlichen Sprache, deren sich Erwachsene oft bedienen, wenn sie in Wahrheit mit einem Erwachsenen in der Nähe sprechen wollen.
Eva-Britt durchschaute vermutlich die Taktik und ließ ihn gewähren. Sie hatten Skeppsbron und Strandvägen schon passiert und waren dabei immer am Wasser entlanggegangen, doch nicht nur aus romantischen Gründen; sie hatten festgestellt, daß sie beide eine Waffe trugen, und wenn sie am Wasser entlanggingen, war die eine Flanke immer gesichert. Sie erwähnten es jedoch mit keinem Wort.
Auf dem Weg über die Djurgårdsbron konnten sie endlich etwas eingehender miteinander sprechen. Es war Eva-Britt, die den Schlüssel fand, ganz einfach dadurch, daß sie praktisch und konkret wurde und mit Dingen anfing, die Johanna Louise betrafen.
In zwei Wochen sollte Eva-Britt zu einem zehntägigen Kommissarlehrgang verreisen. Sie sollte später irgendwann zur Kripo wechseln und war der Meinung, das passe besser zur Mutter eines Kleinkindes. Ihre Frage lautete, ob er sich in dieser Zeit um Johanna Louise kümmern könne.
Er wurde bei dieser Vorstellung nervös und erhob
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