Niemandsland
zwei in ihrem Büro im
Finanzdistrikt sein?«
»Ja.«
»Sie kommt«, sagte er ins Telefon. »Ihr
Name ist Sharon McCone... Nein, sie ist nicht unterernährt. Sie widersteht
sogar meinen Diätvorschlägen. Aber ich werde sie noch bekehren. Diese Frau
liebt mein Instant-Proteingetränk über alles, und von dort ist es nur noch ein
kleiner Schritt...«
10
Die vierstöckigen roten Backsteinhäuser
von Barbary Park sind in ihrer lockeren Anordnung eine städtebauliche Oase im
Finanzdistrikt. Unterhalb der Grünanlagen befinden sich Büros und Läden, eine
Tiefgarage und ein Fitneßcenter. Hier war man weit entfernt von den
containergezogenen Koniferen, dem Weißdorn und dem japanischen Ahorn oben im
Park. Selbst der Verkehrslärm drang nur gedämpft herauf, als nähme er Rücksicht
auf das Ruhebedürfnis der Bewohner.
Ich hatte Margot Erickson angerufen und
sie um ein Treffen um elf Uhr gebeten, und sie hatte die Rezeption in ihrem
Haus informiert. Ein rosenholzgetäfelter Fahrstuhl hob mich auf die Ebene des
Parkes. Von dort folgte ich einem Kiesweg, der zu einem Weiher mit japanischen
Koi-Fischen und weiter über eine geschwungene steinerne Fußgängerbrücke zum
Haus Nummer 551 führte. Es war zweistöckig und efeubewachsen wie die anderen
Häuser auch, hatte Bogenfenster und eine Unmenge Dachfenster. Es bestand aus
vier Einheiten, und jede hatte ihren eigenen, mit Glas überdachten
Eingangsbereich.
Das uniformierte Dienstmädchen, das mir
die Tür aufmachte, war Philippinin. Sie führte mich in ein großes Wohnzimmer
und verschwand dann über eine Treppe nach oben. Die Fenster des Zimmers gingen
auf die Bucht. Ich konnte Alcatraz sehen, diese felsige, steile Insel mit ihren
leeren Zellenblöcken und unbesetzten Wachtürmen, heute kein Gefängnis mehr,
aber eine subtile Mahnung an uns alle.
Ich blieb in der Mitte des Raumes
stehen und sah mich um. Auf einer plattierten Terrasse links von den Fenstern
standen eine Menge Tische und Stühle aus weißem Schmiedeeisen und Pflanzen in
Keramiktöpfen. Das Wohnzimmer schmückte eine Mischung aus creme-, pfirsich- und
pinkfarbenem Mobiliar, das viel zu kunstvoll arrangiert war, um bequem zu sein.
Auf den Tischen aus gebleichtem Teakholz standen nur ein paar chinesische
Kunstgegenstände — ein grünspanüberzogener Bronzelöwe und eine Imari-Schale auf
lackiertem Gestell. Nirgends war ein Buch zu sehen oder ein Magazin, und auf
dem unberührten cremefarbenen Teppich konnte ich nicht einmal die Spuren eines
Staubsaugers entdecken.
Ein Foto über dem marmornen Kaminsims
fiel mir ins Auge, und ich trat näher. Es zeigte einen Mann und eine Frau, die
dicht nebeneinander auf einer Steinmauer saßen, im Hintergrund eine felsige
Meeresküste. Ned Sanderman hatte mir Mick Erickson als einen gutaussehenden
Mann geschildert. Auf seine buschigen, frühzeitig weiß gewordenen Locken fielen
Sonnenstrahlen. Das jugendliche Gesicht war tiefbraun, und in seinen
Augenwinkeln bildeten sich Fältchen, während er der Frau zulächelte. Ein
pinkfarbener Sonnenhut aus Spitze bedeckte ihr Haar bis auf ein paar blonde
Strähnen. Ihr Gesicht war eher rundlich mit Grübchen und einem rosigen Teint.
Beide schienen Mitte Dreißig zu sein und sich miteinander wohl zu fühlen. Sie
wirkten zumindest mit ihrem Los zufrieden. Aber ich entdeckte, daß es wohl auch
schwierige Zeiten gegeben haben mußte: Das Glas im Rahmen war gesprungen, und
der Silberrahmen selbst hatte eine Kerbe, als wäre er einmal nach einem
Gegenstand — oder einer Person — geworfen worden.
Leise Tritte auf dem Teppich zeigten
mir Margot Ericksons Erscheinen an. Als ich mich umdrehte, kam sie mit
freundlich ausgestreckter Hand auf mich zu. Sie wirkte kleiner und
feingliedriger als auf dem Foto, und unter ihrem beigefarbenen seidenen Overall
wirkte ihr Körper zu dünn. Ich merkte, wie ich nur sanft nach ihrer
ausgestreckten Hand griff, als könnte ich sie zerbrechen.
Falls sie mich beim Studieren des Fotos
beobachtet hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie bot mir mit einer
Handbewegung Platz an und ließ sich selbst in einen Sessel fallen, schlug die
schlanken Beine übereinander und fuhr sich mit einer Hand durch das
kurzgeschnittene, sonnengebleichte Haar. Unter der Bräune war sie blaß. Die
grauen Augen hatten Schatten und waren vor Kummer gerötet. Scharfe Linien
hatten sich neben den Mundwinkeln eingegraben, die auf dem Foto noch nicht zu
erkennen waren.
Ich setzte mich auf das Sofa und
stellte
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