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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gibt Leute, die sind Dutzende von Jahren miteinander verheiratet und
wissen doch nicht allzu viel über die Vergangenheit des Partners.«
    »Ich weiß, was Sie meinen, aber ich
kannte Mick schon eine ganze Weile, bevor wir heirateten. Er und seine frühere
Frau wohnten gleich neben mir und meinem früheren Mann in Mill Valley. Unsere
Scheidungen und Wiederverheiratungen verursachten einen kleinen Skandal in der
Nachbarschaft.« Sie lachte nervös. »Ich würde sagen, ich kannte ihn so gut, wie
man einen anderen Menschen nur kennen kann. Jedenfalls habe ich das
angenommen.«
    »Was diese zweite Identität angeht, die
Mr. Erickson angenommen hatte — Franklin Tarbeaux — , haben Sie diesen Namen
jemals vorher gehört?«
    »Nein, nie.« Aber ihr Gesicht spannte
sich, und sie sah weg. Sie log, und es fiel ihr, wie ich vorausgesehen hatte,
nicht leicht.
    »Sind Sie sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher!«
    »Hatte Ihr Mann Interesse an
Geschichte? Am Alten Westen vielleicht?«
    »Ich verstehe nicht, was — «
    »Frank Tarbeaux war ein Spieler und
Schwindler zu Zeiten des Wilden Westens. Offenbar hat sich Ihr Mann den Namen
zum Scherz in einer leicht veränderten Version zu eigen gemacht.«
    Jetzt war sie überrascht. Nach einem
Augenblick sagte sie: »Also, Mick spielt gern. Wir fahren mehrmals im Jahr nach
Tahoe, und in seinem Arbeitszimmer hat er eine Sammlung Bücher über die
Geschichte des Glücksspiels. Wahrscheinlich hat er aus denen den Namen.« Sie
brach ab und dachte nach über das, was sie gerade gesagt hatte. »Es ist so
schwer, von ihm in der Vergangenheitsform zu sprechen. Ich meine immer noch,
daß er gleich durch die Tür kommt und unser Leben wieder so wird, wie es vorher
war...«
    »Ich verstehe. Und ich versuche auch,
so schnell wie möglich fertig zu werden. Ich würde gern ein paar Namen mit
Ihnen durchgehen — von Leuten und von Orten, die Ihr Mann erwähnt haben
könnte.«
    »Bitte sehr.«
    »Ned Sanderman.«
    »Nein.«
    »Transpacific Corporation.«
    »Das ist einer von Micks größten
Kunden.«
    »Lionel Ong.«
    »Natürlich. Lionel Ong ist die Transpacific.«
    »Waren Mr. Ong und Ihr Mann Freunde
oder bloß Geschäftspartner?«
    »Eher Geschäftspartner. In den
vergangenen fünf Jahren waren wir, glaube ich, auf höchstens drei
Dinner-Parties bei Lionel.«
    »Hat Ihr Mann jemals Stone Valley oder
Promiseville erwähnt?«
    »...Nicht, daß ich wüßte.«
    »Ihnen ist nicht bekannt, daß
Transpacific kürzlich Land im Stone Valley gekauft hat und dort eine alte
Goldmine wieder eröffnen will?«
    »Ich... Also, irgend etwas in der
Richtung könnte ich gehört haben.«
    »Was ist mit Earl Hopwood? Ist Ihnen
der Name vertraut?«
    Sie schloß die Augen. Nach einer Weile
schüttelte sie müde den Kopf. Sie war noch blasser geworden und die Schatten
unter ihren Augen noch dunkler. Mir tat die Frau leid, und ich hätte mich
zurückgezogen, hätte ich da nicht eine untergründige Unaufrichtigkeit in
manchen ihrer Antworten gespürt.
    »Nur noch ein paar Fragen, Mrs.
Erickson«, sagte ich. »Haben Sie jemals von der California Coalition for
Environmental Preservation gehört?«
    Sie öffnete die Augen und nickte. »Ich
bin Mitglied des Sierra Clubs und erhalte ihre Spendenaufrufe.«
    »Und wie ist es mit den Friends of Tufa
Lake?«
    »Dem Namen bin ich schon begegnet.«
    »Heino Ripinsky?«
    »Was, um Himmels willen, hat denn die
Ökologie mit dieser Sache zu tun?«
    »Die Umweltschützer wollen das
Minenprojekt der Transpacific stoppen. Hatte Ihr Mann technische Kenntnisse
über den Abbau von Gold?«
    »Ich... ich glaube, ja. Er hat an der
Colorado School of Mines studiert.«
    »Aber über das Projekt der Transpacific
hat er mit Ihnen nie diskutiert — zumindest nicht so, daß Sie daraus schließen
konnten, er stehe damit in Verbindung, oder?«
    Sie beugte sich vor, die Ellbogen auf
die Knie gestützt, Hände vorm Gesicht. Durch die Finger sagte sie: »Ich kann
mich nicht erinnern. Ich... kann mich wirklich nicht erinnern.«
    Ich schaltete mein Tonbandgerät aus.
Genug ist genug, dachte ich. »Mrs. Erickson, es tut mir leid, daß ich Ihnen das
alles zumuten mußte.«
    Sie schüttelte den Kopf und wehrte
meine Entschuldigung ab. Dann stand sie auf und sah sich verschreckt in ihrem
Zuckerwatte-Zimmer um, als würden die Wände gleich über ihr zusammenfallen.
Ohne ein Wort drehte sie sich um und rannte zur Treppe.
    Ich fühlte mich wie das »schreckliche
sadistische Monster«, das meine Nichte Kelley

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