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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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von wenigstens
einer halben Million Unzen Gold rechnete. Ich sagte: »Jetzt einmal inoffiziell,
und es wird in dem Artikel nicht erwähnt: Wie hat Transpacific von dem
Goldvorkommen im Stone Valley erfahren?«
    Ong lächelte dünn. »Wir haben unsere
Finger am Puls günstiger Gelegenheiten, Miss McCone. Wenn irgendwo ein potentieller
Profit winkt, dann ist Transpacific davon unterrichtet.«
    »Auch wenn es sich um einen Bereich
handelt, der wenig mit Ihren sonstigen Geschäftsbereichen zu tun hat?«
    »Auch dann.«
    »Wie testen Sie solch ein Projekt auf
seine Realisierungschancen?«
    Er stand auf, nahm beide Gläser und
ging an die Bar. In ihrer verspiegelten Rückwand sah ich sein Gesicht. Es war
angespannt und die Augen wachsam. Ich dachte an Ripinskys Beschreibung von
Frank Tarbeaux, dem Spieler: »Eiskalt und total konzentriert.«
    Ong wollte Zeit gewinnen und spülte die
Gläser aus, bevor er sie wieder füllte. Als er zurückkam, fragte er: »Könnten
Sie Ihre letzte Frage wiederholen?«
    Ich tat es.
    Er zuckte mit den Schultern, als fände
er die Frage naiv oder dumm, und setzte sich wieder. »Wie das alle Firmen tun,
wir verlassen uns auf die Meinung von Experten.«
    »Dazu gehören natürlich auch Geologen.
Was ist mit den Verkäufern des Landes?«
    »Was soll mit denen sein?«
    »Als Sie mit ihnen Kontakt aufgenommen
haben, haben Sie da etwas über das Goldvorkommen in der Mine verlauten lassen?«
    Ein Anflug von Verärgerung zog über
Ongs Gesicht. »Natürlich«, sagte er mit übertriebener Geduld. »Schließlich
wollten sie uns das Land ja verkaufen. In jedem Fall haben sie den Wert wohl zu
hoch angesetzt.«
    »Schienen Franklin Tarbeaux oder Earl
Hopwood qualifiziert für eine Einschätzung des Vorkommens?«
    Wieder dieser ärgerliche Ausdruck,
diesmal mit Überraschung gepaart. »Woher kennen Sie die Namen?«
    »Von meinen Verwandten in Mono County.«
    »Ich verstehe.« Aber man sah ihm an,
daß er mir nicht glaubte. Er nahm einen großen Schluck Cognac — mir war
aufgefallen, daß er nicht daran nippte, sondern ihn wie Bier hinuntergoß. In
dem folgenden Schweigen schien er nach einer passenden Erwiderung zu suchen.
    Ich fügte hinzu: »Kannten Sie Franklin
Tarbeaux’ wirkliche Identität? Und wußten Sie, daß Mick Erickson am vergangenen
Samstagabend in der Nähe des Tufa Lake erschossen worden ist?«
    Langsam drehte er den Kopf zu mir und
sah mich mit zusammengekniffenen Augen und einem harten Blick an. Er stellte
sein Glas vorsichtig ab und wollte wohl gerade etwas sagen, als neben ihm das
Telefon läutete. Er nahm rasch den Hörer auf.
    »Ong... Wer?... Wo sind Sie?... In
Ordnung, nehmen Sie die 17. Straße und — ja, von der Glenbrook dann in die
Saint Germain.« Als er einhängte, hatte sein Gesicht wieder den früheren
freundlichen Ausdruck angenommen.
    »Sie müssen verzeihen«, sagte er. »Mein
Büro schickt mir ein paar Verträge herüber. Es scheint eine andere Botenfirma
zu sein als sonst, und der Fahrer hat sich verirrt. Ich muß hinaus und dafür
sorgen, daß er das Haus findet.« Er nahm noch einen großen Schluck und
klapperte die Wendeltreppe hinauf.
    Die Unterbrechung kam zur Unzeit und
ärgerte mich. Ich schaltete das Tonbandgerät ab und ging zu der Glastür, die
auf die Terrasse führte. Sie war nicht verschlossen, und so trat ich hinaus.
Der Wind blies heftig hier oben, auch an solchen warmen Oktobertagen, die man
scherzhaft den Sommer von San Francisco nennt. Er brachte meine Haare
durcheinander und preßte mir den Rock gegen die Beine. Unter mir breitete sich
die Stadt aus. Schwacher Dunst ließ die Linien weicher erscheinen.
    Einen Augenblick lang stand ich still
und betrachtete nachdenklich die winzig aussehenden Häuser. Das kleinste war in
der Ferne kaum noch erkennbar, und das größte wirkte auch nicht imposanter als
ein Bauklötzchen. Auf Menschen, die nach Macht gieren, mußte ein Anblick wie
dieser inspirierend wirken — das Gebäude der Bank of America auf einem
Handteller. Ein Mann wie Ong, der bereits über Macht verfügte, konnte sich
dadurch nur bestätigt fühlen.
    Nach einer Weile ging ich vor zur
Balustrade der Terrassenmauer und schaute den überwachsenen Hang hinunter.
Durch die Zweige einer Konifere wurde das rote Dach eines anderen Hauses
sichtbar. Auf der Straße, die ich gekommen war, näherte sich in einiger
Entfernung ein alter gelber Lieferwagen — der erwartete Bote? Ich wartete, bis
er auf der kurvigen Straße wieder aus meinem Blickfeld

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