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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Abhang verstreut.
    Ongs Haus war hellgrau und von einer
hohen Mauer umgeben, der Verlängerung einer Dreier-Garage. Darüber erkannte ich
die stacheligen Blätter von Yuccapalmen und einen Teil des Hauses selbst: eine
Reihe verwinkelter Gauben mit Oberlichtern und kleinen Fenstern, die die
Nachmittagssonne widerspiegelten. Das Tor bildete schwere, schräg gekreuzte
Holzbalken. In die Mauer war eine Sprechanlage eingelassen.
    Ich drückte den Summer, eine männliche
Stimme meldete sich, und ich nannte meinen Namen. Nach wenigen Sekunden schwang
das Tor auf, und ich trat in einen streng gegliederten Hof voller Yuccapalmen
und Zitrusbäume. Der Hauseingang lag direkt gegenüber. Als ich näher kam,
erschien ein Mann im Türrahmen.
    Er war mittelgroß und schlank, hatte
dichtes schwarzes Haar und einen kühl abschätzenden Blick. Er taxierte mich,
während ich auf ihn zuging, und wurde dann richtig freundlich und
entgegenkommend, als hätte er auf irgendeinen inneren Knopf gedrückt. Offenbar
hatte ihn das, was er von mir zu sehen bekommen hatte, entgegenkommender
gestimmt.
    »Miss McCone.« Er kam auf mich zu und
streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Lionel Ong.«
    Ich schüttelte seine Hand und folgte
ihm in einen kahlen, mit schwarzem Marmor ausgelegten Vorraum. Die Wände waren
schneeweiß und schmucklos. Die Sonnenstrahlen, die durch das Oberlicht in der
Mitte hereinfielen, konnten sie nicht erwärmen. Breite Schiebetüren teilten die
Wand gegenüber in zwei Hälften. Sie waren geschlossen.
    In seiner Kleidung paßte Ong zu dem
Raum: Er trug schwarze Anzughosen. Die schwarze Seidenkrawatte hatte er
gelockert. Die Ärmel seines weißen Hemds waren ein Stück aufgerollt, so daß
seine Uhr mit goldenem Gliederarmband, das für sein zartes Handgelenk zu schwer
schien, sichtbar war. Sein Blick war unverbindlich — und berechnend. Ich hatte
den Eindruck, Ong tat nichts, nicht einmal die Ärmel aufrollen, ohne auf die
optische Wirkung zu achten.
    »Hatten Sie Schwierigkeiten, mich zu
finden?« fragte er.
    »Einige«, gab ich zu. »Ich kenne mich
in dieser Gegend nicht so gut aus.«
    »Das geht vielen so — einer der Gründe,
warum ich hier wohne. Es ist ruhig hier, ein guter Ort, wenn man eine Familie
hat.«
    Es war tatsächlich ruhig. Ich hörte
nicht einen Laut, und nichts wies darauf hin, daß in diesem Haushalt fünf
Kinder lebten.
    Ong schien zu merken, was ich dachte.
Er lächelte. »Meine Familie ist in Hongkong zu Besuch bei Verwandten, und
meinem Personal habe ich freigegeben. Gehen wir in mein Arbeitszimmer.« Er
zeigte auf eine schmiedeeiserne Wendeltreppe, die zum Souterrain führte.
    Das Zimmer dort unten hatte eine
Glaswand, die auf eine Terrasse führte. Von dort sah man auf die nördlichen
Ausläufer der Stadt und die Bucht im Hintergrund. Eingebaute Bücherregale,
anscheinend aus weißen Rohren gebaut, bedeckten zwei weitere Wände. Ähnliche
Rohre, mit einem Zickzack-Motiv verziert, stützten die Decke und sicherten die
Galerie eines Zimmers darüber. Das Arbeitszimmer war spärlich mit Glas- und
Chromtischen und tiefen Sesseln mit schwarzweiß gestreiften Polstern möbliert.
Mir fiel sofort auf, daß alles fehlte, was auf Ongs chinesische Herkunft
hindeuten konnte.
    Er forderte mich auf, Platz zu nehmen,
und ging zu einer Bar an der Wand gegenüber dem Fenster. »Cognac?« fragte er.
    Ich wußte, daß reiche Chinesen eine
Vorliebe für Cognac hatten. Einer unserer großen Schnapsvertreiber hatte vor
kurzem damit begonnen, einen erstklassigen französischen Weinbrand speziell für
den asiatischen Markt ins Sortiment zu nehmen. Aber auf fast leeren Magen
vertrug ich so etwas nicht. »Hätten Sie etwas Leichteres?«
    Ong nickte und holte einen Chardonnay
aus dem Napa Valley aus dem kleinen Kühlschrank. Ich nickte zustimmend und nahm
mein Bandgerät und Marcy Cheungs Mappe aus meinem Aktenkoffer. Wir tranken auf
ein gutes Interview, und dann machten wir uns an die Arbeit.
    Marcys erste Fragen waren die üblichen,
und Ong beantwortete sie glatt und auf eine Weise, als habe man sie ihm schon
oft gestellt. Zu seiner Kindheit in Hongkong: »Ich schäme mich sagen zu müssen,
wie glücklich sie war. Wir hatten Dienstpersonal, gingen auf eine Privatschule.
Meine Brüder und ich wurden ganz entsetzlich verwöhnt.« Über seine Ankunft in
den Vereinigten Staaten: »In dem Augenblick, als ich San Francisco sah, wußte
ich: Hier wollte ich mich niederlassen. Es ähnelt in vielem Hongkong, müssen
Sie wissen —

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