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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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eine Hafenstadt, auf Hügeln erbaut. Aber am meisten zog uns die
Freiheit an, die wir hier genossen.« Über seine Ausbildung in Stanford und
Harvard: »Immer die oberste Schublade. Chinesische Familien sehen in der
Erziehung ihrer Sprößlinge eine Investition für die Zukunft der ganzen Sippe,
und sie investieren klug.« Über den Transfer des größeren Teils des
Familienvermögens in die Staaten: »Das Ende des Pachtvertrags im Jahr 1997 hing
wie ein Damoklesschwert über uns. Und die Ereignisse auf dem Platz des
Himmlischen Friedens haben unsere Befürchtungen noch bestätigt.«
    Nur eine von Marcys einleitenden Fragen
bewirkte eine energischere Antwort, deren Schärfe mich überraschte. Ich fragte
ihn: »Führen Sie den Erfolg Ihrer Familie auf das Elend zurück, das Ihr Volk
erleiden mußte, bevor Sie China verließen?«
    Sein Gesicht verhärtete sich, und seine
Augen wurden zu kleinen glänzenden Steinen. »Ich würde sagen, die Widrigkeiten,
gegen die meine Familie in China und anderswo angekämpft hatte, waren die
treibende Kraft unserer Erfolge. Sie haben mich sicherlich dazu gebracht, nach
oben zu streben.« Und dann lächelte er ironisch, als mokiere er sich über den
Gefühlsausbruch, dem er erlaubt hatte, seine sorgfältig errichtete Fassade zu
durchbrechen.
    Im Verlauf des Interviews erklärte Ong
auch, wie es zu der Diversifikation der Transpacific Corporation gekommen sei.
»Der Hafen von Oakland schien nicht mehr aufnahmefähig für eine größere
Frachtflotte, als wir daran dachten, unsere Linie dorthin zu verlegen. San
Francisco war hoffnungslos: Mit dem Hafen ging es bergab, und er war ohnedies
nie für den Containerumschlag geeignet, weil die Geographie dem Ausbau eines
größeren Schienennetzes entgegensteht. Also mußten wir uns aus der Schiffahrt
zurückziehen.«
    »Und Sie lösten die Schiffahrtslinie
auf und stiegen ins Immobiliengeschäft ein.«
    »Ja, und das war eine Zeitlang äußerst
lukrativ. Aber San Francisco hat für den Handel ein Problem: Durch die
steigenden Kosten waren wir nicht mehr konkurrenzfähig. Viele Firmen ziehen aus
der City fort und in Gegenden wie das nördliche Marin oder Contra Costa County.
Wir mußten uns also wieder umstellen — auf Hotels und, zuletzt, auf den Bau von
Feriensiedlungen.«
    »Zunächst investierten Sie in Hotels?«
    »Ja. Hotels werfen noch immer Gewinn
ab, aber auch hier gibt es in San Francisco ein Problem: viele Hotelzimmer
stehen leer.«
    »Warum?«
    »Wir — die Hoteliers der Stadt — haben
in den achtziger Jahren zuviel gebaut. Dann gab es eine schlechte Presse für
die Stadt, die zu einem Rückgang des Tourismus führte: die Aids-Epidemie, das
Erdbeben von 1989, die steigenden Obdachlosenzahlen.«
    »Deswegen haben Sie sich jetzt auf die
Erholungsgebiete verlegt. Carmel Valley und bald auch Palm Desert?«
    Ong nickte und begann mit einer
enthusiastischen Schilderung der Orte und ihrer Annehmlichkeiten. Einen
Anhänger des Club Med mochten Golfplätze, Discos, Weltklasse-Restaurants und
Gruppenleben entzücken, mich ließ das alles kalt. Ein Buch und ein weithin
unbevölkerter Strand — oder auch nur meine Liege hinterm Haus, wenn das Geld
nicht reichte — waren mir um vieles lieber.
    »Und jetzt«, sagte ich, als er schwieg,
»sind Sie noch einmal umgestiegen — auf Goldminen.«
    Ong zog bei der Frage, die ich zwischen
Marcys eingeschoben hatte, die Augenbrauen zusammen. Er griff nach seinem
Cognacglas und fragte: »Woher haben Sie denn die Information?«
    »Ich dachte, das wäre allgemein
bekannt.«
    »Das ist es nicht. Wir haben über das
Golden-Hills-Projekt noch keinerlei Ankündigung gemacht, weil wir mit den
Bodenproben noch nicht fertig sind. Wie haben Sie davon erfahren?«
    Ich improvisierte. »Ich habe einen
Verwandten in Mono County. Die Aussicht, daß die Mine von Promiseville wieder
in Betrieb genommen wird, ist dort großes Tagesgespräch.«
    Er nickte und schien mit der Erklärung
zufrieden zu sein. »Ich ziehe es vor, auf dieses Thema mit Blick auf Ihren
Artikel nicht weiter einzugehen. Wie gesagt, man hat gerade erst mit den Proben
begonnen. Wir wissen nicht, wieviel Gold es noch in der Mesa gibt — ob es genug
ist, einen fachgemäßen Abbau zu rechtfertigen.«
    Doch nach Lily Nickles’ Beobachtung
hatte man mit den Probeentnahmen begonnen und kurz darauf abrupt wieder
aufgehört. Und der geologische Berater von Transpacific, Alvin K. Knight, hatte
Ripinsky erzählt, daß die Gesellschaft mit einem Ertrag der Mine

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