Nigger Heaven - Roman
diese Hinweise, füllte ihr eigenes Glas und fuhr mit ihrer klangvollen, gleichmäßigen Stimme, die tief und musikalisch war und in der die Autorität mitschwang, die sie sich im Lauf ihrer Bühnenkarriere erworben hatte, fort: »Es gibt ein altes Lied, das ich auf Gastspielen im Süden gehört habe: Ain´t it hard to be a Nigger? Kennen Sie es?« Ohne auf eine Antwort zu warten, lehnte sich Adora in ihrem Sessel zurück und begann zu summen:
Ain’t it hard, ain’t it hard,
Ain’t it hard to be a Nigger, Nigger, Nigger?
Ain’t it hard, ain’t it hard?
To’ you canvt git yo’ money when it’s due.
[Ist´s nicht hart, ist´s nicht hart, / Ist´s nicht hart, ein Nigger zu sein, Nigger, Nigger, Nigger? / Ist´s nicht hart, ist´s nicht hart? / Nie kriegst du das Geld, das dir gehört.]
»Scheint mir zu stimmen, obgleich es auf den Standpunkt ankommt. Es ist hart für diejenigen, die den Tatsachen nicht ins Auge sehen. Gerade das tue ich immer, Mary«, fuhr sie ernst und fast bittend fort, »ich möchte, dass Sie heiraten.«
»Aber Adora, was kann ich machen, wenn mich doch niemand will?« Mary versuchte, ihre Verlegenheit mit einem Lachen zu überspielen.
»Sie wissen so gut wie ich, dass ganz in unserer Nähe jemand ist, der ganz verrückt nach Ihnen ist.«
Mary sah ihre Gastgeberin mit echtem Erstaunen an.
»Sie glauben doch nicht, dass er mich heiraten will?«, fragte sie geradeheraus, anstatt so zu tun, als wisse sie nicht, von wem Adora sprach.
»Sofort. Und zwar noch heute Nachmittag.« Unter Nichtbeachtung ihrer Gäste – Marys Glas war noch fast voll – schenkte sie sich erneut Champagner nach, was bei den beiden Schmeichlerinnen zu finsteren Blicken führte.
Mary schwieg, weil sie voll widersprüchlicher Gefühle war.
»Nun, Mary, was haben Sie zu sagen?«
»Wenn Sie erlauben, Adora … ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
»Unsinn! Ich meine …« Man klopfte an der Tür. »Schon wieder diese Niggaz! Sehen Sie mal nach, Piqua«, befahl Adora.
»Es sind Ran und Al. «
Adoras Gesichtsausdruck besänftigte sich, wurde fast zärtlich.
»Oh, sie können hereinkommen.«
Der dicke Bolito-King, dessen selbstzufriedenes Gesicht ein zerknittertes Lächeln belebte und dessen Augen ein goldener Kneifer zierte, trat in Begleitung eines schlanken jungen Mannes ein, der einen blauen Flanellrock, weiße Hosen und Tennisschuhe trug.
»Na, Jungs«, rief Adora, »gerade recht für einen Schluck Selters!«
»Sie und Ihr Selters haben wir gerade gesucht«, gestand der Bolito-King.
»Aber besonders Sie«, fügte Al hinzu.
»Dafür dürft ihr beide aus meinem Glas trinken«, erwiderte Adora.
»Hier ist es.« Sie reichte Al das Glas, der den Rest auf einen Zug leerte. Adora stülpte die Flasche um. Nur ein paar Tropfen kamen heraus. »Holen Sie eine neue Flasche, Arabia«, befahl sie, während ihr Blick Al folgte, der ans Fenster trat.
Wieder klopfte es lautstark an der Tür.
»Lasst sie herein«, seufzte Adora. »Es hat keinen Sinn, in diesem Haus allein sein zu wollen. Lasst sie alle herein, aber stellt den Champagner weg und holt den Scotch heraus.«
»Überall nach Ihnen gesucht!«, rief Dr. Lister, der fesche und beliebte junge Zahnarzt, als die Tür aufging. Hinter ihm tauchte dick und munter Lutie Panola auf, die ein violettes Musselinkleid trug und wie eine überdimensionierte Puppe aussah. Ihnen folgte Sylvia Hawthorne, schlank und schick mit ihrem Bubikopfhaarschnitt und in dem hellbraunen buntbestickten Leinenkleid. Sie rauchte eine Zigarette in einer Bernsteinspitze und stützte sich lächelnd auf Rumsey Meadows. Ebenfalls ins Zimmer kamen Irwin Latrobe, Lucas Garfield, Guymon Hooker, Carmen Fisher, Hope Rosemount und zuletzt der Fremde, den Mary beim Baden beobachtet hatte. »Können wir hier tanzen, Adora?«, fragte Sylvia. »Wir haben schon so ziemlich überall getanzt.«
Ihre Gastgeberin nickte ungeduldig, worauf Sylvia das Grammophon in Gang setzte, und bald waren die Klänge von Little Turtle Dove Love! zu hören.
»Rollt die Teppiche auf!«, kreischte Sylvia.
Rumsey tat es, und drei Paare begannen zu tanzen. Lucas Garfield, der im vergangenen Frühling die Hauptrolle in der Negerrevue James Crow, Esquire gespielt hatte, ahmte mit den Fingern das Zupfen an den Saiten einer Ukulele nach und sang:
Oh, how I’m aching for love!
Wish I had a little turtle dove
To coo, coo, coo to me…
[Oh, wie sehr ich mich nach Liebe verzehre! / Wünschte, ich hätte ein
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