Night Academy 2
»Gib nicht auf. Ruf sie heute Abend an.«
Er hievte seinen Rucksack auf die Schultern. »Schöne Ferien, Dancia.«
»Wünsch ich dir auch, Yashir.«
Nach den Ferien musste ich zwei schriftliche Hausaufgaben abgeben: eine in Geschichte über die Baukunst in der Renaissance und eine in Englisch über Nathaniel Hawthorne. Schon allein deshalb würde ich nicht einfach zwei Wochen vor dem Fernseher dahinvegetieren können.
Natürlich hätte ich auch während der Ferien die Schulbibliothek benutzen können, doch ich wollte möglichst viel Distanz zur Night Academy. Deshalb fuhr Oma mich am Montag zur Bibliothek in Danville. Dort gab es zwar nicht so viele Bücher, aber man konnte sich alles von anderen Bibliotheken innerhalb weniger Tage bestellen, außerdem hatten sie Computer, um im Internet zu recherchieren.
Oma setzte mich ab und fuhr dann zum Supermarkt. Ich bestellte ein paar Bücher, druckte einige Seiten aus dem Internet aus und checkte dann noch meine Mails. Im Posteingang war eine lange, klägliche Mail von Hennie, in der sie schrieb, wie schlecht sie sich fühle, weil sie Yashir einfach so hatte stehen lassen. Nichts von Esther oder Cam.
Nachdem ich eine Zeitlang auf den Bildschirm gestarrt hatte, gab ich spontan den Namen Ethan Hannigan in die Suchmaschine ein. Tausende von Seiten wurden angezeigt. Offenbar war Ethan Hannigan ein gängiger Name. Deshalb versuchte ich es mit einem neuen Suchbefehl: Ethan Hannigan und Night Academy .
Volltreffer. Auf der ersten Seite erschienen Zeitungsartikel aus dem Danville Chronicle und der Seattle Times . Die Überschriften lauteten: Selbstmord eines Teenagers erschüttert Nachbarschaft und Familie trauert um verlorenen Sohn , doch keiner der Links war mehr aktiv.
Wieder und wieder versuchte ich verschiedene Kombinationen der Worte Ethan, Selbstmord und Night Academy. Keiner der Artikel stand mehr zur Verfügung. Aber selbst ohne den genauen Wortlaut der Berichte war klar, dass vor zehn Jahren ein Junge namens Ethan Hannigan auf die Night Academy gegangen war und sich umgebracht hatte. Ich war zu aufgewühlt, um die Bibliothekarin um Hilfe zu bitten. Natürlich konnte es sein, dass die Artikel einfach alt und deshalb nicht mehr zugänglich waren, aber genauso gut konnte es sein, dass irgendjemand nicht wollte, dass man so etwas im Netz fand. In diesem Fall wollte dieser jemand bestimmt auch nicht, dass jemand anders danach suchte. Ich löschte den Verlauf und startete den Computer neu.
Eine Woche verstrich. Oma und ich hatten in unsere alte Routine zurückgefunden, und ich hatte Schlaf nachgeholt. Ziemlich schnell kamen mir die Night Academy, Begabte und die Irin beinahe unwirklich vor.
Am Freitagabend spülte ich das Geschirr vom Abendessen, als Oma auf einmal den Fernseher ganz laut drehte. Ich legte die Pfanne beiseite und ging ins Wohnzimmer, um zu sehen, was Omas Aufmerksamkeit erregt hatte.
Eine Eilmeldung flackerte über den unteren Bildschirmrand, und eine aufgeregte Reporterin sprach ins Mikrofon: »Hier ist Katie Campbell live aus Washington, wo die Polizei gerade ein Komplott gegen den Präsidenten aufgedeckt hat.«
Die Kamera schwenkte auf einen Pulk von Reportern, die sich vor einem großen Gebäude drängten. Davor standen Polizeiwagen, und Menschen rannten in alle Himmelsrichtungen.
»Genauere Einzelheiten kommen erst nach und nach ans Licht«, fuhr die Reporterin fort. »Bislang wissen wir nur, dass die Polizei vor vier Stunden in diesem Lagerhaus, nur wenige Kilometer vom Kapitol entfernt« – damit deutete sie hinter sich – »drei Leichen, ein geheimes Waffen- und Munitionslager und einen detaillierten Lageplan des Weißen Hauses gefunden hat.«
Und während die Reporterin fröhlich weiterplapperte, sank ich aufs Sofa. Viel wussten sie noch nicht. Anwohner hatten Explosionen in der Nähe gemeldet, und die Polizei hatte daraufhin angefangen, die Umgebung abzusuchen. Die Beamten fanden jedoch weder Zerstörungen noch den Ort, an dem eine Explosion stattgefunden haben konnte. Dann erhielten sie einen anonymen Hinweis, im Lagerhaus nachzusehen, wo sie die Leichen und Unterlagen über die Verschwörung fanden.
Bislang gab es nur wilde Spekulationen, wer den Anschlag verhindert und die potenziellen Angreifer des Präsidenten ausgeschaltet haben könnte. Waren es barmherzigen Samariter gewesen? Oder ein abtrünniger Komplize? Niemand wusste Näheres, und aus Polizeikreisen hieß es, für derlei Mutmaßungen sei es noch zu früh.
Ich war wie vor
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