Night Academy 2
den Kopf geschlagen.
Ich wusste, wer dahintersteckte. Aber hoffentlich hatte Cam nicht den Finger am Abzug gehabt.
In der kommenden Woche wurde in den Abendnachrichten täglich über die Ermordeten und die seltsamen Vorkommnisse im Washingtoner Lagerhaus berichtet. Die Toten waren arbeitslose Mittzwanziger mit Uniabschlüssen. Einer von ihnen hatte einen Master in Mathematik von der Universität Georgetown gehabt. Ein anderer hatte in Harvard studiert. Und der Dritte, Charlie Scholz, hatte seinen Abschluss in Seattle an der University of Washington gemacht. Seit ein paar Jahren hatten die drei zusammen in Washington gewohnt.
Die Journalisten machten Leute ausfindig, die mit den drei jungen Männern bekannt gewesen waren. Eine Nachbarin erzählte den Fernsehleuten, die drei seien recht ruhig gewesen und hätten ihren Rasen gemäht, wenn sie auf Reisen gewesen war. Sie könnte sich nicht vorstellen, dass die Jungs etwas ausgefressen hätten. Charlie Scholz’ Onkel sagte jedoch, er hätte seinem Neffen noch nie über den Weg getraut. Schon als kleiner Junge hätte der sich im Keller versteckt und heimlich was angestellt.
Die meisten der gefundenen Waffen waren gestohlen. Die Männer waren vermutlich überrascht worden und hatten sich kaum gewehrt. Viel mehr fand die Polizei nicht heraus, und niemand konnte sagen, woher die Explosionsgeräusche gekommen waren. Im Lagerhaus befand sich auch noch ein Büro, aber außer den Unterlagen über das Weiße Haus wurde dort nichts gefunden. Mich überraschte das nicht weiter. Der Hohe Rat hatte bestimmt alle interessanten Dokumente einkassiert.
Ich versuchte, Cams Rolle vor mir selbst herunterzuspielen. Schließlich war er ja noch kein richtiger Wächter. Wahrscheinlich hatten sie ihn als Spurenleser eingesetzt, nicht als Killer.
Jeden Tag schaute ich in meine E-Mails, bekam aber keine Nachricht von ihm. Er war sicher beschäftigt. Immerhin hatten sie gerade eine nationale Katastrophe vereitelt. Trotzdem hätte ich gern mit ihm gesprochen, um zu erfahren, was wirklich vorgefallen war. Aufgrund des großen Waffenarsenals, der vielen Wagen rund ums Lagerhaus und unzähliger Fingerabdrücke ging die Polizei davon aus, dass noch mehr Leute in den Fall verstrickt waren. Ich wünschte mir, genauer zu wissen, was die Männer vorgehabt hatten und wie sie gestorben waren.
Sonntagabend warf ich meine sauberen Klamotten in den Wäschebeutel und packte meine Schulsachen zusammen. Oma hatte es sich gerade für eine einstündige Sondersendung vor dem Fernseher gemütlich gemacht, als mein Handy klingelte.
Voller Entsetzen starrte ich auf das Display: Ethan Hannigan .
Von ihrem Sessel aus gab mir Oma gereizte Handzeichen. »Willst du wohl mal rangehen? Ich verstehe hier kein Wort.«
Ich war wie gelähmt. Erneut klingelte es.
»Sonst gehe ich ran«, rief Oma warnend.
Ich riss den Hörer ans Ohr und drückte auf den Kopf. »Hallo?«, flüsterte ich.
»Na endlich, wird ja auch mal Zeit, dass du rangehst.«
»Hey, Esther«, sagte ich, um Oma zu beruhigen. »Was gibt’s?«
Oma wandte sich wieder ihrer Kiste zu. Ich wollte erst in mein Zimmer gehen, überlegte es mir aber anders und verzog mich ins Bad. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, zischte ich: »Du kannst mich doch nicht einfach anrufen.«
Jack lachte. »Das letzte Mal hast du mich angerufen. Warum darf ich dich nicht zurückrufen?«
Ich hängte die verschossenen blau-weißen Handtücher gerade in eine Reihe, fein säuberlich geordnet nach den bestickten Rändern. »Das war ein Fehler. Es ist gefährlich für uns beide. Besonders im Moment.«
Jack wurde mit einem Schlag ernst. »Die haben drei Leute getötet, Danny, die sich nicht mehr haben zuschulden kommen lassen, als sich der Kontrolle des Hohen Rats zu entziehen.«
»Die wollten doch den Präsidenten umbringen!«
Jack schnalzte verächtlich. »Das glaubst du doch nicht im Ernst, oder?«
Ich hockte mich auf den Badewannenrand. »Aber die Polizei hat doch Unterlagen gefunden. Karten. Lagepläne. Wozu sollten die denn sonst dienen?«
»Das war doch eine abgekartete Sache. Irgendjemand hat uns die Papiere untergejubelt, um davon abzulenken, dass eure Wächter unsere Leute ermordet haben. Den Präsidenten anzugreifen wäre doch idiotisch. Dann hätten wir Hunderte von Polizisten am Hals und würden bestimmt etliche unserer Leute verlieren. Und was sollte uns das bringen? Überleg doch mal.«
Wie leicht Jack den Begriff »unsere Leute« verwendete! Auch
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