Night School 01 - Du darfst keinem trauen
verstehen.
»Natürlich«, sagte Isabelle und fügte hinzu: »Falls du es dir anders überlegst, komm zu mir.«
Das Gespräch bewegte sich nun auf dünnem Eis. Allie zappelte auf ihrem Stuhl herum und hoffte, dass sie bald entlassen würde.
Der aufmerksamen Rektorin entging auch das nicht. Müde streckte sie sich und stand auf.
»Na, dann lass ich dich jetzt mal zum Essen gehen, damit du dein Wochenende genießen kannst.«
Das ließ Allie sich nicht zweimal sagen. Sie sprang auf, doch als sie gerade die Tür öffnen wollte, rief Isabelle sie noch mal zurück.
»Allie«, sagte sie, »wann immer es ein Problem gibt, scheu dich bitte nicht, zu mir zu kommen, egal, wie groß es ist. Ich möchte dir helfen. Meine Aufgabe ist nicht, dich in Schwierigkeiten zu bringen. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Ihre Worte schienen von Herzen zu kommen, und Allie lächelte schüchtern. »Mach ich«, sagte sie, dann lief sie los.
Sie konnte spüren, wie Isabelles verständnisvoller Blick ihr folgte.
»Lieber Gott. Bitte lass diese Folter aufhören.« Jo ließ ihr Gesicht auf das Biobuch fallen.
Allie, die ihr gegenüber in der Bibliothek saß, warf einen Stift nach ihr.
»Genau«, sagte Gabe und klappte sein Buch zu. »Wir brauchen eine Pause. Ich hab zwar noch zu tun, aber niemand hat gesagt, dass ich das nicht auch später machen kann. Es ist Samstagnachmittag, draußen scheint die Sonne – wer kommt mit raus?«
Ohne den Kopf vom Buch zu heben, reckte Jo den Arm in die Luft. »Ich«, sagte sie mit biobuchgedämpfter Stimme.
»Was ist mit dir, Allie?«, fragte Gabe, während er seine Bücher stapelte.
Allie schüttelte den Kopf. »Nein danke, ich hab heute schon genug frische Luft abbekommen. Ich glaube, ich erkunde lieber mal das Gebäude.«
Jos Kopf fuhr hoch, die blonden Haare standen ab. »Das Gebäude ist cool. Frag Eloise, ob sie dir die Studierzimmer zeigt. Die sind echt abgefahren.«
Sie schien sich vom vergangenen Abend weitgehend erholt zu haben. Der Schnitt auf ihrer Wange war mit zwei Fäden genäht, weitere Wunden waren nicht zu sehen. Allie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihr über die Ereignisse zu sprechen. Sie hätte sich gern ein paar Minuten allein mit ihr unterhalten, doch Gabe war Jo den ganzen Tag über kaum einmal von der Seite gewichen. Nun stapelte er ihrer beider Bücher, und sie standen auf, um nach draußen zu gehen.
»Sehen wir uns beim Abendessen oder vielleicht vorher?«, fragte Allie hoffnungsfroh.
»Klar«, antwortete Jo und lächelte.
Als sie gegangen waren, streckte sich Allie und sah sich um. Der Raum war weitgehend verlassen.
Sie ging zum Tisch der Bibliothekarin. Hinter dem hohen, alten Holztresen war Eloise damit beschäftigt, eine altmodische Karteikarte auszufüllen.
»Ähem«, machte Allie zögerlich.
»Ach, Allie. Schön, dich wiederzusehen«, sagte Eloise und richtete sich auf. »Wie geht es dir?«
Die Bibliothekarin hatte ihr dunkles Haar lose im Nacken zusammengebunden, einzelne Locken büxten aus. Auf der schmalen Nasenspitze ruhte eine Brille mit lila Rahmen.
»Gut, danke. Ich hab dahinten gelernt«, Allie machte eine ungefähre Geste in die Richtung ihres Tisches, »und da dachte ich, ich komme mal her und sage Hallo.«
»Möchtest du die Bücher mitnehmen, von denen ich dir erzählt habe?«, fragte Eloise und legte die Karteikarte hin. »Ich habe sie für dich beiseitegelegt.«
Sie griff unter den Tresen und holte einen Stapel Bücher hervor, auf dem ein Zettel mit der Aufschrift »Für Allie« lag.
»Zusätzliche Lektüre für den Englischkurs, glaube ich«, erklärte Eloise.
Die Bibliothekarin hatte am Morgen davon gesprochen, doch Allie hatte die Bücher schon vergessen, und eigentlich war sie auch der Meinung, dass sie sowieso schon genug zu lesen hatte.
Was soll’s …
»Oh, prima«, sagte sie höflich und steckte die Bücher in ihre Tasche. »Ich wollte mir eigentlich mal das Gebäude genauer anschauen. Jo meint, es gebe hier irgendwelche coolen Studierzimmer oder so was.«
Eloise sah sie einen Moment lang fragend an, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Ach, du meinst bestimmt die Lernzellen da hinten. Die sind wirklich was Besonderes. Warte, ich hol die Schlüssel.«
Sie nahm einen üppig bestückten Schlüsselring von einem Haken hinter dem Tresen. Allie folgte ihr über einen schier endlosen Orientläufer an unzähligen Regalreihen vorbei.
»Das ist ja riesig hier«, sagte sie und warf einen Blick an die hohe Decke.
»Sei
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