Night World - Prinz des Schattenreichs - Night World - Black Dawn
Stille über ihren Geist senkte.
Sie hatte das Gefühl, als würde sie an einen neuen, herrlichen Ort gehoben, den die meisten Menschen niemals auch nur zu Gesicht bekamen. Die Luft um sie herum schien mit unsichtbaren Flügeln zu beben.
So sollte es für alle sein, ging es ihr durch den Kopf. Auf diese Weise sollten alle miteinander verbunden sein. Offen füreinander. Ohne Geheimnisse und ohne dumme Mauern zwischen ihnen.
Sein Gedanke stieg in ihr auf, scharf und schnell wie ein Hammerschlag. Nein!
Der Gedanke war so kalt, so voller Zurückweisung, dass Maggie einen Moment lang bestürzt war. Dann spürte sie, was noch dahinter steckte.
Wut... und Angst. Er hatte Angst vor dem hier und vor ihr. Er fühlte sich bedrängt. Entblößt.
Nun, mir geht es genauso, sagte Maggie im Geiste. Es war nicht so, dass sie keine Angst gehabt hätte. Doch ihre
Angst war unerheblich. Die Kraft, die sie beide umfangen hielt, war um so vieles mächtiger als sie selbst, so unaussprechlich alt, dass Angst zwar natürlich war, aber nicht wichtig. In ihnen beiden leuchtete dasselbe Licht, beraubte sie ihrer Schilde, machte sie füreinander durchscheinend.
Für dich ist es schön und gut. Denn du hast nichts, dessen du dich schämen müsstest! Der Gedanke blitzte so schnell auf, dass Maggie sich nicht einmal sicher war, ob sie ihn wirklich gehört hatte.
Was meinst du? dachte sie. Warte... Delos.
Das war sein Name. Delos Redfern. Jetzt wusste sie es, so unzweifelhaft, wie sie die Namen ihrer eigenen Familie kannte. Sie erkannte auch - obwohl es nur von geringer Bedeutung war, gleichsam ein Nebengedanke -, dass er ein Prinz war. Ein Vampirprinz, dazu geboren, dieses geheime Königreich zu regieren, wie die Familie Redfern es seit Jahrhunderten regiert hatte.
Der alte König war dein Vater, sagte sie ihm. Und er ist vor drei Jahren gestorben, als du vierzehn warst. Seither regierst du.
Er zog sich geistig von ihr zurück, versuchte, den Kontakt zwischen ihnen zu brechen. Es geht dich nichts an, knurrte er.
Bitte, warte, sagte Maggie. Aber als sie ihm im Geiste hinterherjagte und versuchte, ihn einzuholen, ihm zu helfen, geschah etwas Neues und Schockierendes, wie ein zweiter Blitzschlag.
KAPITEL NEUN
Sie war in seinem Geist. Sein Geist war überall um sie herum, wie eine fremdartige und gefährliche Welt. Eine schrecklich beängstigende Welt, doch auch eine, die voll kantiger Schönheit war.
Alles war eckig, als sei sie ins Herz eines riesigen Kristalls gefallen. Alles glitzerte, kalt und klar und scharf. Farben blitzten auf, während Licht schimmerte und sich brach, aber im Wesentlichen war es eine sinnverwirrende Transparenz in alle Richtungen. Wie das gebrochene Eis eines Gletschers.
Wirklich gefährlich, dachte Maggie. Die Zacken des Kristalls um sie herum hatten scharfe Kanten wie Schwerter. Der Ort sah aus, als hätte er niemals Wärme oder sanfte Farben gekannt.
Und hier lebst du, fragte sie Delos in Gedanken.
Geh weg. Delos’ Antwort erreichte sie mit einem kalten Windstoß. Verschwinde!
Nein, s agte Maggie. Du kannst mir keine Angst machen. Ich bin schon früher auf Gletscher geklettert. Das war der Moment, in dem sie realisierte, woran dieser Ort sie erinnerte. An einen Gipfel. Den kahlen, eisigen Gipfel eines Berges, auf dem keine Pflanzen - und gewiss keine Menschen - überleben konnten.
Aber ist dir denn niemals irgendetwas Gutes widerfahren?
fragte sie. Hattest du niemals einen Freund... oder ein Schloßtier... oder irgendetwas?
Keine Freunde, antwortete er knapp. Keine Schoßtiere. Verschwinde von hier, bevor ich dir wehtue.
Maggie erwiderte nichts, denn noch während er das sagte, veränderten sich die Dinge um sie herum. Die glitzernden Oberflächen der ihr nächsten Kristalle begannen, kleine Bilder zu zeigen, in denen sich Leute bewegten. Sobald Maggie eines betrachtete, schwoll es an und schien allen Raum um sie herum auszufüllen.
Es waren seine Erinnerungen. Sie sah Teile seiner Kindheit.
Sie sah ein Kind, das von seiner Geburt an wie eine Waffe behandelt worden war. Es ging alles um irgendeine Prophezeiung. Sie sah Männer und Frauen um einen kleinen Jungen von vier Jahren versammelt, dessen von schwarzen Wimpern umrahmte goldene Augen groß und verängstigt waren.
»Keine Frage«, sagte der älteste Mann. Delos’ Lehrer, erkannte Maggie, und dieses Wissen floss ihr zu, weil Delos es wusste und sie in seinem Geist war.
»Dieses Kind ist eines der Wilden Mächte«, sagte der Lehrer, und seine
Weitere Kostenlose Bücher