Night World - Prinz des Schattenreichs - Night World - Black Dawn
Glückseligkeit.
Und dann, als sie sich in dem noch glückseligeren Zustand befand, nicht länger durstig zu sein, stieß sie den Lederbeutel unter die Oberfläche, um ihn zu füllen.
»Wofür ist das?« Aber in der Stimme des Jungen lag eine gewisse Resignation.
»Für Cady. Ich muss es ihr bringen.« Maggie hockte sich hin und sah ihn an. Das Licht tanzte und flackerte um ihn herum, überhauchte sein dunkles Haar mit einem bronzenen Schimmer und hüllte die Hälfte seines Gesichtes in Schatten.
»Danke«, sagte sie leise, aber mit einer Stimme, die leicht zitterte. »Ich denke, du hast mir wahrscheinlich schon wieder das Leben gerettet.«
»Du hattest wirklich Durst.«
»Ja.« Sie stand auf.
»Aber als du dachtest, es wäre nicht genug Wasser vorhanden, wolltest du es ihr geben.« Diese Vorstellung schien er einfach nicht zu begreifen.
»Ja.«
»Selbst wenn es bedeutet hätte, dass du gestorben wärst?«
»Ich bin nicht gestorben«, stellte Maggie fest. »Und ich hatte auch nicht die Absicht. Aber - ja, ich schätze, wenn es keine andere Möglichkeit gegeben hätte...« Sie sah,
dass er sie mit maßloser Verwunderung anstarrte. »Ich habe die Verantwortung für sie übernommen«, versuchte sie, ihr Handeln zu erklären. »Es ist so, als nähme man eine Katze auf oder - oder als wäre man eine Königin oder so etwas. Wenn man sagt, dass man für seine Untertanen verantwortlich ist, dann ist man es auch. Dann ist man es ihnen einfach schuldig.«
Etwas schimmerte in seinen goldenen Augen auf, nur für einen Moment. Es hätte Ärger sein können oder auch nur ein Funke des Erstaunens. Dann herrschte Schweigen.
»So komisch ist es nicht, dass Menschen füreinander sorgen«, meinte Maggie und betrachtete sein im Dunkeln liegendes Gesicht. »Tut das hier denn niemand?«
Er stieß ein kurzes Lachen aus. »Wohl kaum«, antwortete er trocken. »Die Adeligen verstehen sich darauf, für sich zu sorgen. Und die Sklaven müssen gegeneinander kämpfen, um zu überleben.« Abrupt fügte er hinzu: »Das alles solltest du wissen. Aber du stammst natürlich nicht von hier. Du kommst von der Außenwelt.«
»Ich wusste nicht, ob du etwas über die Außenwelt weißt«, sagte Maggie.
»Es sollte eigentlich keinen Kontakt geben. Etwa fünfhundert Jahre lang hat es auch keinen gegeben. Aber als mein - als der alte König starb, haben sie den Pass wieder geöffnet und angefangen, Sklaven aus der Außenwelt hereinzubringen. Frisches Blut.« Das sagte er, als sei es das Normalste der Welt.
Bergmenschen, überlegte Maggie. Jahrelang hatte es
Gerüchte über das Kaskadengebirge gegeben, über Männer, die an verborgenen Orten zwischen den Gletschern lebten und Bergsteigern auflauerten. Männer oder Ungeheuer. Es gab immer Wanderer, die behaupteten, sie hätten den Yeti gesehen.
Und vielleicht hatten sie das auch - oder vielleicht hatten sie Gestaltwandler wie Bern gesehen.
»Und du denkst, das ist in Ordnung«, bemerkte sie laut. »Leute aus der Außenwelt zu entführen und sie hierher zu schleppen, um sie zu Sklaven zu machen.«
»Nicht Leute. Menschen. Menschen sind Ungeziefer; sie sind nicht intelligent.« Er sagte dies in dem gleichen leidenschaftslosen Tonfall, in dem er alles sagte, und sah sie direkt an.
»Bist du verrückt?« Maggie hatte die Fäuste geballt und den Kopf gesenkt. Es wurde Zeit, ihren Standpunkt zu vertreten. Sie funkelte ihn aus schmalen Augen an. »Du redest gerade mit einem Menschen. Bin ich intelligent oder nicht?«
»Du bist eine Sklavin ohne Manieren«, erwiderte er barsch. »Und das Gesetz sagt, dass ich dich für die Art, in der du mit mir redest, töten könnte.«
Seine Stimme war so kalt, so arrogant... aber Maggie glaubte langsam nicht mehr an diese Kälte.
Hinter diesem Jungen musste mehr stecken. Denn er war der Junge aus ihrem Traum.
Der sanfte, mitfühlende Junge, der sie mit einer Flamme der Liebe in seinen goldenen Augen angesehen hatte, der sie mit solch zärtlicher Inbrunst im Arm gehalten hatte,
sein Herz auf ihrem, sein Atem auf ihrer Wange. Dieser Junge war real gewesen - und selbst wenn es keinen Sinn ergab, war Maggie sich dessen irgendwie sicher. Und ganz gleich, wie kalt und arrogant er auch wirkte, er musste ein Teil dieses anderen Jungen sein.
Was ihre Angst vor ihm nicht direkt verminderte. Aber es bestärkte sie in ihrer Entschlossenheit, ihre Angst zu ignorieren.
»In meinem Traum«, sagte sie bedächtig und trat einen Schritt auf ihn zu, »hat dir zumindest ein
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