Nightschool. Du darfst keinem trauen
Hunger ohnmächtig werdet, dann glaubt ja nicht, dass ich euch was abgebe.«
Mit müden Augen ging sie schnurstracks zu dem Tisch mit Energieriegeln, Obstschalen, Tee- und Kaffeekannen, der draußen vor der Bibliothek aufgebaut worden war. Überall im Flur hingen Schüler rum, die eine Pause einlegten, sich miteinander unterhielten, Dehnübungen oder ein kleines Nickerchen machten, bevor sie sich wieder in ihre Bücher vertieften.
»Kaffee«, murmelte sie und goss sich etwas davon in die weiße Porzellantasse mit dem blauen Cimmeria-Wappen ein. »Wieso gibt’s hier keine Kekse?«, maulte sie vor sich hin, nachdem sie die Auswahl begutachtet hatte. »Und wo ist die Schokolade? Wie soll ich unter diesen Bedingungen arbeiten?«
»Hier kommt die Schokolade.«
Allie machte einen Satz und fuhr so abrupt herum, dass sie fast den Kaffee verschüttet hätte. »Sylvain, verdammt! Hast du mich erschreckt!«
» Désolé – das wollte ich nicht.«
Das kannst du deiner Großmutter erzählen.
Während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte, wandte Allie sich zum Gehen. »Schön, dass wir wieder mal miteinander gesprochen haben, aber …«
Er machte einen schnellen Schritt auf sie zu. »Warte bitte, Allie. Ich würde gern mit dir reden … Wirklich.«
»Ach Gott, muss das jetzt sein?« Mit Sylvain reden war das Letzte, wonach ihr gerade der Sinn stand.
»Nein, natürlich nicht«, sagte er gekränkt. »Ich wüsste es allerdings sehr zu schätzen, wenn du mir ein paar Minuten deiner wertvollen Zeit schenken würdest.«
Sie seufzte. »Na gut. Aber nur, wenn du versprichst, dass du dich nicht wieder entschuldigst.«
Seine blauen Augen funkelten. »Ich kann nicht versprechen, dass ich mich nie wieder entschuldigen werde, aber jetzt möchte ich mich über etwas anderes mit dir unterhalten. Trotzdem tut es mir natürlich lei…«
»Okay, das war’s«, schnitt sie ihm das Wort ab und wollte ihn stehen lassen, doch er griff nach ihrem Arm und lachte.
»Bitte bleib, Allie – das war einfach eine Steilvorlage. Kommt nicht wieder vor, versprochen.«
Gegen ihren Willen lächelte sie ihn an. »Okay, ich geb auf. Was gibt’s?«
»Hast du was dagegen …?« Er deutete den Flur entlang. »Wir gehen lieber woanders hin.«
»Wir dürfen uns nicht von der Bibliothek entfernen. Es ist nach elf.«
»Ach, für mich sind die Regeln nicht so streng.« Als sie ihm einen zweifelnden Blick zuwarf, fügte er hinzu: »Wir gehen auch nicht weit.«
»Fünf Minuten.« Sie hielt ihre Hand hoch und spreizte die Finger dabei ab. »Dann muss ich wieder an die Arbeit.«
»In Ordnung.«
Mit der Kaffeetasse in der Hand folgte sie ihm in die leere Eingangshalle. Ihre Schritte hallten durch den geräumigen Gang.
Sobald sie allein waren, änderte sich sein Auftreten. Er schien sich unwohl zu fühlen und vergewisserte sich, dass niemand ihnen gefolgt war. Seine Anspannung beunruhigte sie.
»Also … Worüber wolltest du denn nun reden?«, fragte sie.
Ohne Vorwarnung trat er an sie heran und umfasste sie. Ehe sie ihn abwehren konnte, flüsterte er ihr zu.
»Ich muss dir leider sagen, Allie, du bist in Gefahr.«
»Lass mich los, Sylvain«, fauchte sie.
»Bitte, Allie, tu so, als würden wir uns wie enge Freunde unterhalten.« Sein flehender Tonfall alarmierte sie so sehr, dass sie alle Versuche einstellte, aus seiner Umarmung zu flüchten.
»Verdammt, was geht hier bloß ab?«, flüsterte sie zurück.
»Ich weiß auch nicht alles«, sagte er, »aber ich glaube, du bist in Gefahr. Jemand will dir was antun.«
Sie suchte nach Anzeichen dafür, dass er sie auf den Arm nehmen wollte, aber er schien nicht zu Späßen aufgelegt. Plötzlich durchfuhr sie die Angst.
»Wer, Sylvain? Wer möchte mir was antun?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht mehr verraten. Nicht mal das hätte ich dir sagen dürfen. Aber ich mache mir Sorgen um dich. Es ist ernst, bitte glaub mir.«
»Ist es Nathaniel?«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, schlug Allie die Hand vor den Mund.
Sylvain wurde hellhörig.
»Woher weißt du von Nathaniel?«
Carter wird mich umbringen.
»Ich …, also ich … hab da wohl ein Gerücht oder so …«
Er sah ihr in die Augen, als suchte er dort nach Hinweisen.
»Nicht wer dich bedroht, ist wichtig«, sagte er ruhig, »sondern das, was passieren könnte, wenn wir dich nicht beschützen. Du solltest so viel wie möglich mit Freunden zusammen sein – bleib nie allein. Besonders nicht draußen.«
Allie fand es
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