Nightschool. Du darfst keinem trauen
der Wahrheiten ist, warum dann schon nach Isabelle damit aufhören?
Ihr fiel kein guter Grund ein.
»Vorher muss ich dich was fragen«, sagte sie. »Es könnte dich verletzen. Aber ich hoffe, du verstehst, warum ich das fragen muss.«
Rachels mandelförmige Augen weiteten sich überrascht, doch sie blieb cool.
»Okay«, sagte sie. »Schieß los.«
»Hast du jemals über mich getratscht?«
Rachel zögerte keine Sekunde.
»Ja, bis ich dich kennenlernte«, sagte sie. »Ich hab über jeden getratscht. Aber seit ich dich kenne, habe ich, jedenfalls was dich betrifft, damit aufgehört und es auch nie wieder getan. Nie wieder.«
Allie sah sie eindringlich an, konnte aber nicht den Hauch eines Zauderns entdecken. Nicht das leiseste Anzeichen dafür, dass die Frage Rachel in Bedrängnis brachte. Sie schien einfach … bei sich zu sein. Allies Instinkte sagten ihr, dass sie ihr vertrauen konnte.
»Die Sache ist die«, begann sie, »meine Eltern, Isabelle, Jo – offenbar belügen mich alle. Langsam verliere ich den Glauben an …«
»An alle?«, beendete Rachel den Satz an ihrer Stelle. Allie nickte.
Rachel legte sich die Hand aufs Herz. »Ich schwöre bei meiner Familie, dass ich dich nicht belüge, Allie. Du kannst mir vertrauen.«
Irgendwie wusste Allie, dass das die Wahrheit war.
Sie beugte sich vor und umarmte Rachel. »Ich glaube dir. Tut mir leid, dass ich dich das fragen musste.«
»Ich verstehe das schon«, sagte Rachel und erwiderte die Umarmung. »Vielleicht mehr, als du denkst. Vergiss nicht, ich bin schon eine Weile hier. Es hat seinen Grund, weshalb ich beschlossen habe, nicht viele Freundschaften einzugehen. So, und jetzt erzähl mal, was dich so durcheinanderbringt.«
Allie berichtete kurz von dem Treffen und dass sie Isabelle gefragt hatte, ob sie zum Schuladel von Cimmeria gehöre. Bei Isabelles Antwort sog Rachel die Luft zwischen den Zähnen ein.
»Sie hat’s zugegeben? Hammer! Und was hast du gesagt?«
»Ich hab versucht, mehr aus ihr rauszukriegen«, sagte Allie, der jetzt Isabelles Gesichtsausdruck wieder einfiel – hin- und hergerissen war sie gewesen.
»Meine Mutter ist doch auch hier zur Schule gegangen«, hatte Allie die Rektorin gefragt. »Dann kannten Sie sich, oder?«
Isabelle nickte. »Ja, das stimmt. Wir waren in derselben Klasse. Sie war eine meiner besten Freundinnen.«
Allie hob die Brauen. »Aber wieso habe ich Sie noch nie bei uns gesehen? Oder von diesem Internat gehört?«
»Das ist eine sehr lange Geschichte, Allie, aber der Grund ist nicht, dass wir beide uns verkracht hätten: Sie hat sich mit Cimmeria verkracht – und mit den Leuten, die dahinter stehen.« Sie wirkte melancholisch. »Ich glaube, das Beste wäre, du sprichst mal mit ihr selbst darüber. Sie sähe es bestimmt nicht gern, wenn ausgerechnet ich dir ihre Geschichte erzählen würde. Das steht mir nicht zu. Ich kann dir aber immerhin sagen, dass sie nach Beendigung ihrer Schulzeit Cimmeria und alles, was damit zusammenhängt, hinter sich gelassen hat. Soweit ich weiß, hat sie nie zurückgeschaut. Sie hat es hier gehasst, und vermutlich hat sie dir deshalb nie davon erzählt.«
Allie setzte die Teetasse auf dem Tisch ab, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. »Aber dann hat sie mich hergeschickt.«
Isabelle nickte.
»Wieso hat sie mich auf eine Schule geschickt, die sie selbst gehasst hat?«, fuhr Allie auf.
»Sie wurde nicht mit dir fertig«, sagte Isabelle. »Was aber nicht dein Fehler ist, sondern ihrer. Das weiß sie auch. Nachdem Christopher … weg war, war sie nicht mehr sie selbst. Sie grämte sich so sehr, dass sie sich nicht mehr richtig um dich kümmern konnte.«
Unerwartet wurde Allie von großer Traurigkeit übermannt. Aus Angst, sie könnte gleich losheulen, beugte sie sich nach vorn und legte ihren Kopf auf die Knie.
»Dich hierherzuschicken war mit das Tapferste, was sie je getan hat, Allie«, sagte Isabelle sanft. »Sie wusste, dass du in deiner alten Umgebung Probleme hattest. Aber dazu musste sie auf die Hilfe anderer zurückgreifen … Von Leuten, die sie vor langer Zeit hinter sich gelassen hatte. Und das war für sie verdammt schwer.«
Allie beobachtete, wie eine Träne auf ihr Knie fiel.
»Warum hast du mir das nicht eher erzählt?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme und merkte gar nicht, dass sie zum »Du« übergegangen war. »Du und meine Mutter, ihr seid doch Freundinnen, aber keine hat mir je was gesagt – ihr habt mich angelogen!«
Isabelle
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