Nightshifted
bleiben. Die
Unterhaltung auf den Vordersitzen wurde beendet, und Anna sank auf dem
Beifahrersitz zusammen, wobei die Plane sich knittrig um sie legte. Vielleicht
war sie eingeschlafen.
Ich starrte aus dem Fenster und beobachtete, wie
grauer Schnee und ebenso grauer Asphalt an uns vorbeizogen, die durch die
Tönung der Scheiben zum gleichen monotonen Farbton abgedunkelt wurden, der mich
stark an die Mondoberfläche erinnerte. Dann schlief ich ebenfalls ein.
Â
»Wir sind da, Mensch.«
Sike hielt in einer Parklücke in der Nähe meiner Wohnung. Ich holte meine
Schlüssel aus der Tasche. Als ich die Wohnungstür öffnete, schlug mir eine
Hitzewelle entgegen â im Inneren war es heià wie in einem Backofen, die
Stromrechnung würde diesen Monat wohl astronomisch werden. Und so wie es jetzt
aussah, würde ich wahrscheinlich auch noch leben und sie bezahlen müssen. Ich
lieà die Tür offen stehen.
Sike musste um das Auto herum zur Beifahrerseite
gehen und Anna wecken. Der kleinere Vampir schien benommen zu sein, als er
taumelnd ausstieg, und einen Moment lang fragte ich mich, was wohl passieren
würde, falls eine Ecke der Plane umschlug und ich zusehen müsste, wie meine
einzige Hoffnung in der sanften Nachmittagssonne verbrutzelte.
Sike schob Anna in meine Richtung. Sie ging über die
Schwelle und betrat das Haus, doch Sike wurde am Türrahmen aufgehalten.
»Ich dachte, du wärst nur ein Tageslichtagent?«,
fragte ich sie. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu schlieÃen, hatte sie das
ebenfalls geglaubt.
»In letzter Zeit habe ich ziemlich viel Blut meines
Thrones bekommen.« Sie stand dicht vor meiner Türschwelle und sah gleichzeitig
wunderschön und verblüfft aus. Ich beobachtete, wie sie eine Hand hinter sich
ins Sonnenlicht streckte, und sie schien sich in nichts von einer
auÃergewöhnlich blassen menschlichen Hand zu unterscheiden.
Sike schaute zu mir hoch. »Also, lass mich rein«,
forderte sie.
Ich versuchte, mich an die genauen Worte zu erinnern,
die ich bei Anna benutzt hatte, als ich mir besonders schlau vorgekommen war.
Meinem erschöpften Gehirn wollte allerdings nichts einfallen. »Verletze niemals
mich oder meine Katze«, forderte ich nur, statt eines feierlichen Schwurs. Sike
schnaubte.
»Ich schwöre, dich oder deine Katze niemals im
physischen Sinne zu verletzen.«
»Reicht schon. Komm rein«, erwiderte ich und ging
hinein. Dort zog ich meinen Mantel aus und setzte GroÃvater auf dem
Küchentresen ab, wo er sofort wieder anfing zu reden. »Bäh«, beschwerte sich
Anna, die bereits auf dem Weg ins Schlafzimmer war.
»Sei nett.« Offenbar waren alle hier zweisprachig,
nur ich nicht. Als ich kurz ins Schlafzimmer schaute, lehnte Anna an der
geschlossenen Schranktür und wirkte durch die Lichtschutzplane, die lose über
ihrem Kopf hing, wie ein verschrumpelter, alter Bettler.
»Ich bin erschöpft. Verstecke mich«, befahl sie, ohne
hochzusehen.
Ich ging an ihr vorbei und öffnete die andere Tür.
Sie hockte sich hin und schob diesmal meine gesamten Schuhe auf eine Seite des
Schrankbodens, indem sie schwach nach ihnen trat. Als sie drin war, warf ich
ihr noch die Ersatzbettdecke zu.
»Dieses Haus stinkt nach Zombie und noch
Schlimmerem«, verkündete Anna, während sie sich auf dem Schrankboden
zusammenrollte.
»Keine Sorge, du wirst hier ja nicht einziehen.« Ich
nahm ihre Plane und schloss schnell die Schranktür, um anschlieÃend den dichten
Stoff vor das Fenster zu hängen, damit das restliche Licht ausgesperrt wurde.
GroÃvaters Stimme in der Küche verstummte. Ich lieà mich auf mein Bett sinken,
doch dann fiel mir ein, dass Sike ja noch da war.
Du bist schon auf der Zielgeraden, sagte ich mir. Das
versicherte ich auch immer meinen Patienten, wenn ich etwas mit ihnen machen
musste, das ihnen Schmerzen bereitete. Es ist fast vorbei. Alles fast vorbei. Ruckartig setzte ich
mich wieder auf. Sie stand gerade im Flur und drehte den Thermostat auf eine
gemäÃigtere Temperatur herunter. Sollte ich ihr ein Glas Wasser anbieten? Tee?
Blut? Ich hatte keine Ahnung, was jetzt von mir erwartet wurde â ich wusste
nur, dass ich den Schlaf fast so dringend nötig hatte wie Anna.
»Brauchst du mich noch für irgendwas?«, fragte ich
sie.
»Ich gehe davon aus, dass du eine Couch besitzt?«,
erwiderte sie.
»Im Wohnzimmer, kannst sie gar nicht
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