Nightshifted
machte kurz nach meinem Klopfen
die Tür auf, doch ich hörte im hinteren Teil des Hauses Hundegebell.
»Ihr müsst Ti einen
Gefallen tun, Rita«, begann ich.
Sie musterte mich, und ihr Blick wurde so
missbilligend, dass sie auf einem Auge fast schielte. »Du siehst grauenhaft
aus, und riechen tust du sogar noch schlimmer. Komm rein!«
Ich schüttelte den Kopf. »Geht nicht. Du solltest die
Kleinen wegschicken. Er war in einen Kampf verwickelt, und jetzt braucht Ti
einen Ort, wo er eine Weile unterkriechen kann.«
Jimmies schwarzes Gesicht mit dem markanten
Unterkiefer erschien hinter der Fliegentür. Zu spät. Ich wedelte abwehrend mit
der Hand, woraufhin er gähnte und sich hinsetzte.
»Was ist los?«, fragte Madigan, der nun ebenfalls an
die Tür kam.
»Es kam zum Kampf mit einigen Vampiren. Ti wurde
verletzt â es ist echt unappetitlich, und das sage ich als Krankenschwester.«
Ich warf einen schnellen Blick über die Schulter zum Auto, wobei ich froh war,
dass die Scheiben getönt waren. »Wir haben das Mädchen gefunden, nach dem ich
gesucht hatte, und jetzt bleibt mir nur noch Zeit bis heute Abend, um alles zu
einem Abschluss zu bringen.«
»Dann ist also alles okay?«, fragte er.
War es das? Es fühlte sich nicht so an, als wäre
alles okay. Andererseits â wie oft musste man schon mit ansehen, wie der eigene
Freund in Stücke gerissen wird und es dann schafft, das zu überleben? »Ich
glaube schon. Ich hoffe es. Aber ganz ehrlich, eure Kinder sollten das nicht
sehen.«
Jimmie drückte winselnd die Nase gegen die
Fliegentür. Ti konnte er zwar nicht sehen, aber er konnte mich riechen.
»Also gut.« Madigan beugte sich runter und gab Jimmie
einen Klaps aufs Ohr. »Geht auf eure Zimmer, und zwar alle«, sagte er auch zu
den anderen Hunden, die ich von hier aus nicht sehen konnte. Ich hörte in der
Diele Krallen auf Bodenfliesen klicken, dann wurden sie wieder vom Teppich
gedämpft.
»Habt ihr vielleicht ein Betttuch, an dem ihr nicht
besonders hängt? Damit niemand ihn sehen kann?«, fragte ich. Rita nickte und
verschwand kurz, um anschlieÃend mit einem blauen Baumwolllaken wieder
aufzutauchen. »Danke«, sagte ich zu ihr, allerdings etwas lauter als notwendig,
damit alle in Hörweite â und ich dachte mir, dass Werwölfe und -hunde ein ziemlich
gutes Gehör haben mussten â es mitbekamen. »Ernsthaft, vielen Dank. Das meine
ich aufrichtig.«
Rita nickte nur und verschränkte die Arme vor der
Brust.
Â
Ich rannte zu Sikes
Wagen zurück und öffnete die Hintertür. Dort wartete Ti schon. Seine Augen schienen
sich sorgenvoll verdunkelt zu haben, und den Rest versuchte ich mir gar nicht
erst anzusehen.
»Sie nehmen dich erst mal bei sich auf.«
Er nickte. Ich reichte ihm das Laken, das er
einhändig entfaltete und dann über seinem Kopf drapierte, sodass er wie ein
besonders unheimliches Gespenst aussah.
Diesmal streckte er die Hand aus und wollte mir eine
Strähne hinters Ohr streichen ⦠nein, er holte sich nur den Stift zurück, den
ich dort deponiert hatte. Dann schrieb er: »Vertraue niemandem« auf den Notizblock,
bevor er aufstand und den Wagen verlieÃ. Ich musste ihn nicht fragen, wer damit
gemeint war.
Â
»Mein Wagen wird
wochenlang nach Zombie riechen. Diesen Gestank kriegt man nicht vollständig
raus«, jammerte Sike vom Fahrersitz aus, als wir Madigans und Ritas Haus hinter
uns lieÃen. »Wohin jetzt?«
Tja, wohin? »Zu mir, schätze ich.« Ich gab ihr die
Adresse.
»Die bezahlen dich wohl nicht besonders gut, wie?«,
stellte sie fest.
»Nein.«
Anna zog sich die lichtundurchlässige Plane enger um
den Kopf. Sie und Sike unterhielten sich leise in einer Sprache, die ich nicht
verstand, von der ich aber glaubte, dass es Russisch sei. Unwillkürlich fragte
ich mich, ob die beiden Vampirgeschäfte besprachen oder ob es Vampirklatsch
gab. Ich spielte inzwischen mit meinem Handy herum und kam mir in dem
luxuriösen Sitz verloren und vergessen vor.
Jakes Nummer war die Erste in meinem
Kurzwahlspeicher. Ich lieà mich tiefer in den Sitz sinken. Eigentlich war ich
immer noch sauer auf ihn, weil er mich einfach hatte sitzen lassen. Er würde
seinem Pfad der Selbstzerstörung weiter folgen, aber wenigstens würde er leben.
Da ich Anna gefunden hatte, würde mir dieses Gespräch erspart
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