Nikotin
rechts und links. Jetzt schien er etwas zu hören – was es war, konnte Mr Satterthwaite nur erraten –, Schritte draußen im Korridor. Der Mann hatte ein schlechtes Gewissen. Er empfand diese Schritte als bedrohlich. Rasch sprang er auf, das Papier, auf dem er geschrieben hatte, in der einen, den Federhalter in der anderen Hand. Quer durch das Zimmer stürzte er auf den Gaskamin zu, den Kopf halb gedreht, wachsam… lauschend… voll Furcht. Nun versuchte er, das Papier unter den Gasofen zu stopfen – und um beide Hände für diese Arbeit frei zu haben, warf er die Feder ungeduldig fort. Sir Charles’ Bleistift, die Füllfeder des Dramas, fiel genau auf den Tintenfleck…
»Bravo, Cartwright! Bravo!«, applaudierte Mr Satte r thwaite.
So ausgezeichnet war die Vorstellung gewesen, dass er vollkommen unter dem Eindruck stand, Ellis könne so, und nur so, gehandelt haben.
»Verstehen Sie?«, fragte Sir Charles, zu seinem eigenen Ich zurückkehrend. »Wenn der Bursche die Polizei oder sonst jemanden kommen hörte und das Geschriebene rasch verstecken musste – wo konnte er es verstecken? Nicht in einer Schublade oder unter der Matratze; dort würde es bei einer polizeilichen Suche sofort gefunden werden. Die Zeit, eine Bohle des Fußbodens aufzureißen, hatte er nicht. Nein, hinter dem Gasofen war die einzige Chance.«
»Also werden wir nachsehen, ob dort etwas steckt.«
»Richtig, Satterthwaite. Natürlich mag es auch ein fa l scher Alarm sein – aber hoffen wir das Beste.«
Cartwright zog seinen Rock aus und krempelte sich die Hemdsärmel auf. In der nächsten Sekunde lag er platt auf dem Bauch.
»Da steckt was«, berichtete er, unter den Ofen spähend. »Etwas Weißes. Wie soll ich es aber hervorholen? Ich brauche eine Hutnadel.«
»Heutzutage benutzen die Damen keine Hutnadeln mehr. Vielleicht ein Taschenmesser gefällig?«
Doch ein Taschenmesser erwies sich als unbrauchbar.
Schließlich ging Mr Satterthwaite hinaus und lieh sich eine Stricknadel von Beatrice, die – obwohl neugierig, wofür zwei Herren ein solch weibliches Handwerkszeug benötigten – zu gut geschult war, um eine Frage zu w a gen. Und die Stricknadel tat ihren Dienst. Mit ihrer Hilfe zog Sir Charles ein halbes Dutzend hastig zusammeng e knüllter Briefbogen hervor. Sätze standen darauf, in kle i ner, sauberer Handschrift geschrieben.
»Dem Schreiber dieses Briefes liegt es fern, Ihnen Unannehmlic h keiten bereiten zu wollen; möglicherweise hat er sich auch g e täuscht bei dem, was er heute Abend zu sehen glaubte; aber…«
Hier hatte Ellis, offenbar von der Fassung nicht befri e digt, abgebrochen, um auf einem zweiten Bogen von Neuem zu beginnen.
»John Ellis, Butler, bittet, bevor er zur Polizei geht und dort g e wisse Aussagen macht, um eine kurze Unterredung die sich auf die Tragödie von heute Abend bezieht…«
Abermals unzufrieden, hatte er auch diesen Brief nicht beendet.
»John Ellis, Butler, kennt gewisse Tatsachen, die mit dem plöt z lichen Tod des Doktors in Verbindung stehen. Bislang hat er di e se Tatsache der Polizei noch nicht mitgeteilt…«
In der nächsten Fassung war auf den Gebrauch der dri t ten Person verzichtet worden.
»Ich benötige dringend Geld. Mit tausend Pfund wäre mir geho l fen. Es gibt gewisse Dinge, die ich der Polizei berichten könnte, aber da es mir widerstrebt, jemandem Unannehmlichkeiten zu bereiten…«
Der letzte Brief war noch deutlicher.
»Ich weiß, wie der Doktor starb. Vorläufig habe ich es der Pol i zei noch verheimlicht. Wenn Sie mich treffen wollen…«
Dieses Schreiben brach anders ab als die vorhergehenden. Nach »wollen« war die Feder in einem Gekritzel ausg e glitten, und die letzten fünf Worte waren verschmiert und verwischt. Es lag auf der Hand, dass Ellis bei der Abfa s sung dieses Briefes etwas gehört hatte, was ihn au f schreckte. Im Nu hatte er sämtliche Seiten zusammeng e rafft und versteckt.
»Ich gratuliere Ihnen, Cartwright«, sagte Mr Satterthwa i te mit einem tiefen Aufatmen. »Ihr Instinkt in Bezug auf den Tintenfleck ging nicht fehl. Vorzügliche Arbeit, mein Lieber! Nun wollen wir mal sehen, wie die Dinge liegen. Ellis ist, wie wir vermuteten, ein Schurke, aber nicht der Mörder. Doch er weiß, wer den Mord beging, und schickt sich an, ihn oder sie zu erpressen.«
»Ihn oder sie«, fiel Cartwright ein. »Warum konnte der Bursche seine Ergüsse nicht mit Sir oder Madam begi n nen? Dann wüssten wir, woran wir
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