Nikotin
zurückzukehren. Vonseiten Cartwrights bedurfte es nicht vieler Überr e dungskünste, damit sie eine Einladung zum Dinner a n nahm.
»Hierher kann sie wohl nicht gut kommen«, meinte er und schaute sich in seiner luxuriösen Junggesellenwo h nung um. »Es würde ihrer Mutter sicher nicht recht sein, wie? Natürlich könnte uns Miss Milray Gesellschaft lei s ten, aber um die Wahrheit zu sagen, Satterthwaite – Miss Milray bedrückt mich ein bisschen. Sie ist dermaßen tüc h tig, dass sie bei mir Minderwertigkeitskomplexe auslöst.«
Hierauf schlug Mr Satterthwaite sein Haus vor. Doch nach einigem Hin und Her wurde verabredet, im »Berk e ley« zu essen; ob man hinterher woanders hingehen wolle, stehe in Eggs Belieben.
Mr Satterthwaite stellte sofort fest, dass das junge Mä d chen abgemagert war. Ihre Augen wirkten größer und unruhig, das Kinn energischer. Doch trotz ihrer Blässe und den Ringen unter den Augen hatte sie nichts von ihrem Charme eingebüßt.
Sie sagte zu Sir Charles: »Ich wusste, dass Sie kommen würden…« Aber der Ton bettelte: »Nicht wahr, jetzt, da Sie zurück sind, wird alles gut werden.«
Trotzdem dachte Mr Satterthwaite: Sie war ja gar nicht sicher, dass er kommen würde. Nein, nein, sie hat Folte r qualen ausgestanden, hat sich maßlos gegrämt… Sieht der Mann das denn nicht? Schauspieler sind doch im Allg e meinen eitel genug… Merkt er nicht, dass das Mädchen bis über beide Ohren in ihn verliebt ist?
»Eine merkwürdige Situation! «, grübelte er weiter. Dass Sir Charles sie leidenschaftlich liebt, darüber besteht kein Zweifel. Sie liebt ihn ebenfalls. Und das Glied zwischen ihnen, das Bindeglied, an das sich jeder von ihnen i n brünstig klammert – ist ein Verbrechen… ein doppeltes Verbrechen empörender Art.
Während des Dinners wurde nicht viel geredet. Sir Charles sprach über seinen Aufenthalt an der Riviera, Egg über Loomouth, und sobald eine Flaute drohte, griff Mr Satterthwaite helfend ein. Beim Nachtisch schlug er a bermals vor, den weiteren Abend in seinem Haus zu verbringen. Es war ein großes Haus am Chelsea E m bankment mit vielen schönen Kunstgegenständen. Wer t volle Gemälde gab es dort, Skulpturen, chinesisches Po r zellan, Elfenbeinarbeiten, Miniaturen und eine Menge echter Chippendale- und Hepplewithe-Möbel.
Egg Lytton Gore bemerkte von all dem nichts. Sie warf ihren Abendmantel auf einen Sessel und sagte kurz: »En d lich! Nun weihen Sie mich ein.«
Mit lebhaftem Interesse hörte sie zu, während Sir Charles das Abenteuer in Yorkshire schilderte, und hielt sekundenlang den Atem an, als er die Entdeckung der Erpresserbriefe beschrieb.
»Was hinterher geschah, können wir nur vermuten«, schloss der Schauspieler. »Wahrscheinlich wurde Ellis bezahlt, um den Mund zu halten, und seine Flucht e r leichtert.«
Aber Egg schüttelte den Kopf. »O nein! Ellis ist tot.« Beide Herren fuhren auf. »Bestimmt ist er tot«, versiche r te Egg. »Und deshalb ist er auch so spurlos verschwu n den. Er wusste zu viel – das wurde ihm zum Verhängnis. Ellis ist der dritte Mordfall.«
Obgleich keiner der Männer diese Möglichkeit zuvor erwogen hatte, mussten sie zugeben, dass sie einleuchtend klang.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo der Leichnam steckt«, fuhr Egg fort. »Aber es dürfte viele Stellen geben, wo…«
»Schwerlich, schwerlich«, murmelte Mr Satterthwaite.
»Viele – glauben Sie es mir.« Miss Lytton Gore hielt e i nen Augenblick inne. »Dachbodenräume zum Beispiel sind in solchen alten Bauwerken derartig viele vorhanden, dass man etliche davon nie betritt. Er wird in einem Ko f fer auf dem Dachboden liegen.«
»Sehr unwahrscheinlich«, sagte Sir Charles. »Ausg e schlossen natürlich nicht. Die Entdeckung würde… hm… würde nur einige Zeit hinausgeschoben werden.«
Es widerstrebte Eggs Natur, Unangenehmem ausz u weichen, und deshalb griff sie ohne Weiteres den Punkt auf, mit dem Cartwrights Gedanken sich beschäftigten.
»Der Geruch zieht nach oben, nicht nach unten. Einen im Keller verwesenden Körper würden Sie viel eher wahrnehmen als einen, der auf dem Dachboden liegt. Überdies dächte geraume Zeit jeder an eine tote Ratte.«
»Wenn Ihre Theorie stimmt, deutet sie endgültig auf e i nen Mann als den Mörder hin. Eine Frau könnte eine Leiche nicht treppauf schleppen. Sogar für einen Mann ist es keine Kleinigkeit.«
»Nun, es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten. Sie wissen, es existiert ein geheimer Gang.
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