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Nimm dich in acht

Nimm dich in acht

Titel: Nimm dich in acht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sie mich ausgeschimpft, weil ich mich hier mit Ihnen verabredet habe. Zu ihrer Zeit holte der Gentleman die junge Dame offenbar zu Hause ab und eskortierte sie zum Restaurant.«
    Susan lachte. »Angesichts des Verkehrs in Manhattan wären die Restaurants geschlossen gewesen, bis Sie mich im Village abgeholt hätten und wir in Midtown angekommen wären.« Sie schaute sich um. An der hufeisenförmigen Bar herrschte viel Betrieb; zu beiden Seiten standen kleine Tische, die alle besetzt waren. An den vier Wänden des zweistöckigen Raums schwang sich ein prächtiges Wandgemälde zur Decke empor, eine überwiegend in Rottönen gehaltene Darstellung des berühmten Palio-Pferderennens. Die Beleuchtung war gedämpft, die Atmosphäre gemütlich und vornehm. »Hier war ich noch nie. Es sieht sehr nett aus«, sagte sie.
    »Ich war auch noch nicht hier, aber das Lokal ist mir wärmstens empfohlen worden. Der Speiseraum ist im zweiten Stock.«

    Richards nannte der jungen Frau an der Kasse seinen Namen. »Unser Tisch ist reserviert. Wir dürfen den Aufzug benutzen, wenn wir wollen«, sagte er zu Susan.
    Sie musterte Donald Richards eingehend, jedoch möglichst unauffällig. Sein Haar war dunkelbraun, mit einem leichten Stich ins Rötliche – »laubbraun« hätte Gran Susie dazu gesagt, dachte sie. Er trug eine große Brille mit stahlgrauem Rahmen. Die Gläser betonten seine graublauen Augen – oder waren seine Augen blau und wirkten durch die Gläser anders?
    Sie war sicher, daß er sich für den Abend umgezogen hatte. Gestern und am Montag im Studio hatte er einen Blazer getragen und auf sie gewirkt wie ein Mann, den ein paar Knitterfalten nicht störten, ein typischer Akademiker.
    Heute abend sah er völlig anders aus. Er trug einen offensichtlich teuren dunkelblauen Anzug und eine silberblaue Krawatte.
    Der Aufzug kam. Sie stiegen ein, und als sich die Türen schlossen, bemerkte er: »Darf ich sagen, daß Sie sehr attraktiv aussehen? Ein tolles Ensemble.«
    »Ich weiß nicht recht, ob ich elegant genug für Sie bin«, erwiderte Susan freimütig. »Wie meine Großmutter sagen würde, Sie dagegen sind richtig ›herausgeputzt‹.«
    »Sie sind elegant genug, das versichere ich Ihnen.«
    Das war das zweite Mal in fünf Minuten, daß ich an Gran gedacht habe, überlegte Susan. Was ist los?
    Sie stiegen im zweiten Stock aus, wo der Geschäftsführer sie begrüßte und zu ihrem Tisch führte. Er fragte, was sie trinken wollten, und Susan bestellte Chardonnay, Donald Richards einen Martini pur.
    »Normalerweise brauche ich keinen ›Seelentröster‹«, erklärte er, »aber es war ein harter Tag.«

    Ob er das Mittagessen mit seiner Mutter meint? fragte sich Susan. Sie ermahnte sich, ihre Neugier nicht zu offen zu zeigen. Keinesfalls durfte sie vergessen, daß er Psychiater war und jeden Versuch, ihn auszuhorchen, durchschauen würde.
    Allerdings lagen ihr viele Fragen auf der Zunge, und sie überlegte, wie sie einen ›sicheren‹ Weg finden könnte, sie ihm zu stellen. Warum zum Beispiel hatte er so gequält reagiert, als ein Anrufer ihn nach dem Tod seiner Frau gefragt hatte? Und wäre es nicht natürlich gewesen, darüber zu sprechen, daß er mit Kreuzfahrtschiffen vertraut war, als Susan ansprach, daß Regina Clausen während einer Kreuzfahrt verschwunden war? Laut Richards’ Biographie war das Schiff, auf dem Regina damals reiste – die Gabrielle –, sogar sein Lieblingsschiff.
    Sie mußte ihn dazu bringen, darüber zu reden.
    Das beste Mittel, um ein Gespräch dorthin zu lenken, wo du es haben willst, sagte sie sich, ist, dein Gegenüber zu entwaffnen, es in Sicherheit zu wiegen. Susan schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Heute hat sich eine Anruferin gemeldet, die sagte, nachdem sie Sie gehört hätte, sei sie in eine Buchhandlung gegangen und habe Ihr Buch gekauft. Und sie genieße die Lektüre.«
    Richards erwiderte ihr Lächeln. »Ich hab’ sie auch gehört. Anscheinend eine Frau mit Geschmack.«
    Er hat es gehört? dachte Susan. Vielbeschäftigte Psychiater hören sich gewöhnlich keine zweistündigen Ratgebersendungen an.
    Ihre Getränke kamen. Richards hob sein Glas, um ihr zuzuprosten. »Ich freue mich, heute abend mit Ihnen zusammenzusein.«

Sie wußte, daß es nur eine der typischen Bemerkungen war, die man beim Aperitif macht. Dennoch hatte Susan das Gefühl, daß mehr hinter dem scheinbar beiläufigen Kompliment steckte – wegen der Intensität, mit der er es sagte, und weil sich plötzlich seine Augen

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