Nimm doch einfach mich
»Jungs! Fünfmal hundert Meter Freistil auf Zeit. Ich verlass mich auf euch!« Er blies erneut in die Trillerpfeife und die Schwimmer legten sich in ihren Bahnen ins Zeug. Owen zog sich aus dem Wasser und folgte seinem Trainer in eine ruhige Ecke neben dem Rettungsschwimmerturm.
»Was ist los?«, fragte Coach Siegel. »Ich weiß nicht, aus welchen Gründen Sterling die Mannschaft verlassen hat, aber sein Abgang hat ziemlich negative Auswirkungen auf die Moral. Wir müssen jetzt vor allem zusehen, dass wir das Team zusammenhalten.«
»Das ist nicht so einfach«, murmelte Owen und blickte kurz zum Becken rüber, wo die anderen mit Chadwicks Schwimmbrille Wasserpolo spielten, statt zu trainieren. So viel zum Thema: Ich verlass mich auf euch.
»Okay, hör zu. Ich weiß, dass Sterling und du Streit wegen seines Mädchens habt, stimmt doch, oder?« Der Coach sah Owen eindringlich an. »Hast du sie ihm ausgespannt?«
»Nicht direkt.« Owen wich dem Blick aus und musterte die schwarz-weißen Bodenfliesen. Er konnte sich nicht erinnern, mit seinem Trainer an der Highschool in Nantucket jemals solche intimen Gespräche geführt zu haben. Plötzlich hatte er schreckliches Heimweh und sehnte sich nach seiner kleinen Insel zurück.
»Na schön. Eigentlich interessiert es mich auch nicht, was privat zwischen euch beiden passiert ist. Allerdings interessiert mich sehr wohl, dass das, was passiert ist, sich negativ auf das Team auswirkt. Du läufst auf Sparflamme, Carlyle«, sagte der Coach streng und bemerkte noch nicht einmal die junge Bademeisterin im Bikini, die gerade den Rettungsschwimmerturm hochkletterte. Dabei entging ihm so etwas normalerweise nie .
»Du trainierst heute Nachmittag nicht weiter, sondern denkst stattdessen darüber nach, wie du das Team wieder auf Spur bekommst, verstanden? Ich meine es ernst, Carlyle.« Coach Siegel stand auf und beendete damit die Unterhaltung. Owen verschwand wortlos im Umkleideraum und zog sich in einer der Einzelkabinen um. Das machten normalerweise nur die jüngeren Schwimmer, die Hughs derbe Scherze fürchteten, bei denen gerne mal ein wasserfester Marker zum Einsatz kam. Owen tat es, weil er keinem seiner Teamkollegen begegnen wollte.
Er zog sein iPhone aus der weinroten St.-Judes-Schwimmtasche. Drei entgangene Anrufe. Alle von Kelsey. Als er an ihre korallenroten Lippen dachte, fühlte er sich gleich wieder ein bisschen besser, auch wenn Coach Siegels Stimme immer noch in seinen Ohren widerhallte. Er wusste, dass die Beziehung zu seiner Mannschaft nur deswegen gestört war, weil er jetzt mit Kelsey zusammen war. Aber … ach, scheiß drauf. Es war wie bei Romeo und Julia. Sie würden zusammenbleiben, auch wenn der Rest der Welt ihre Liebe verurteilte!
Der Gedanke ließ seinen Adrenalinpegel dramatisch steigen. Wie unter Strom hielt er draußen ein Taxi an. Kelsey wohnte zwar nur ein paar Blocks entfernt, aber er musste sie sofort sehen.
vermisse dich. bin auf dem weg zu dir , schrieb er ihr und lehnte sich dann ins Polster des Taxis zurück. Am liebsten hätte er Kelsey auf eine einsame Insel entführt. Er würde jeden Morgen eine Runde schwimmen gehen, anschließend würden sie nach Nahrung suchen und dann eng umschlungen am Strand einschlafen.
Okay, Mr Lost .
Das Taxi hielt vor dem Apartmentgebäude, in dem Kelsey wohnte. Der Portier warf ihm einen misstrauischen Blick zu, und selbst die beiden Steinlöwen am Eingang schienen Owen finster zu mustern. Er marschierte in die Lobby und blieb an der Empfangstheke stehen.
»Ähm, ich möchte zu Kat … Kelsey Talmadge«, korrigierte er sich hastig.
»Ich werde Sie anmelden.« Der Portier griff nach dem Telefonhörer. »Sie werden bereits erwartet«, teilte er ihm nach wenigen Sekunden mit.
Owen fuhr mit dem Aufzug nach oben und ging bis zum Ende des Flurs. Plötzlich wurde eine Tür aufgerissen und Kelsey lief ihm in einem karierten Schulrock und einem schwarzen Kaschmirpulli entgegen.
»Da bist du ja endlich!«, rief sie, als hätte sie ihn schon seit Wochen nicht mehr gesehen, dabei waren seit dem letzten Mal nur ein paar Stunden vergangen. Owen zog sie kurz an sich, ließ sie aber sofort wieder los.
»Alles in Ordnung?« Kelsey knabberte an ihrer rosé schimmernden Unterlippe und sah sehr verführerisch aus. Sie löste ihren Pferdeschwanz und zauste sich durch die Haare, sodass sie in sanften Wellen ihr Gesicht umspielten. »Ich wüsste da was, das dich wieder aufmuntert«, hauchte sie lächelnd, schloss die Finger
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