Nimm doch einfach mich
Wunschstein ist und dass ich ihn ins Meer werfen und mir etwas wünschen soll, aber ich hab ihn immer mit ins Bett genommen. Als ich zehn war, hab ich ihn dann irgendwo verloren. Ich weiß, dass es bescheuert klingt, aber ich bin immer noch traurig deswegen. Als ich noch in Nantucket gewohnt hab, hab ich manchmal am Strand nach Steinen gesucht und gehofft, einen zu finden, der genauso aussieht«, erzählte Owen und schwieg dann. Eine unbehagliche Stille lag in der Luft.
»Das ist … süß«, sagte Kelsey schließlich und sah ihn ein wenig befremdet an. »Aber ich weiß etwas, das viel besser ist als ein Wunschstein …« Sie rieb ihre sommersprossige Stupsnase an Owens Kinn und begann ihn zärtlich zu küssen. Owen küsste sie nur halbherzig zurück.
»Weißt du, ich fühl mich heute nicht besonders«, sagte er plötzlich und sprang auf. »Ich ruf dich an«, versprach er und rannte zum Aufzug. Unten angekommen, ignorierte er die hochgezogenen Augenbrauen des Portiers und raste zur Tür raus.
Erst als er den von Ulmen gesäumten Pfad im Central Park entlangjoggte, hatte er das Gefühl, wieder durchatmen zu können. Er wich Kinderwagen und Spaziergängern mit Hunden aus und verfiel erst wieder in ein normales Schritttempo, als er schon fast bei dem Apartmentgebäude angekommen war, in dem er wohnte. Erleichtert atmete er aus. Es war gut, zu Hause zu sein.
kleider machen eben doch leute
Baby zupfte nervös das Hermès-Tuch zurecht, das sie Avery geklaut hatte, um es als Haarband zu tragen, und musterte die anderen Gäste, die im Hungarian Pastry Shop saßen. Das Café war ein beliebter Treffpunkt für Studenten und Dozenten der Columbia University, von denen die meisten heute draußen saßen, um ihre Koffeindosis in der Nachmittagssonne zu genießen. Aber Baby war kalt und sie rutschte unruhig auf ihrem wackeligen Stuhl hin und her. Sie hatte die letzten beiden Tage damit verbracht, das Buch von Sydneys Mutter zu lesen. Eigentlich hatte sie erwartet, dass es sich als einer dieser typischen lahmen Selbsthilferatgeber entpuppen würde, aber das, was Sidneys Mutter darin sagte, hatte tatsächlich Hand und Fuß. Sie riet ihren Leserinnen vor allem, sich radikal und konsequent von alten Identitäten und Zielen zu verabschieden, damit sie neuen Zukunftsplänen nicht im Weg standen. Sofort nachdem Baby es zu Ende gelesen hatte, hatte sie Sydney gebeten, einen Termin für sie bei ihrer Mutter zu vereinbaren. Sie wollte sie unbedingt persönlich fragen, was sie tun sollte, um endlich die richtige Therapie für sich zu finden. Da sie den zweiten Termin mit der durchgeknallten Wald-und-Wiesen-Heilerin abgesagt hatte, war Lynn ihre letzte Hoffnung. Irgendwie musste sie die zwanzig Stunden zusammenbekommen, die Mrs McLean ihr aufgebrummt hatte.
»Baby?«, hörte sie plötzlich eine weibliche Stimme.
»Lynn?«, sagte Baby schüchtern und blickte auf. Sydneys Mutter sah genauso aus wie auf dem Foto auf der Rückseite ihres Buches. Sie hatte ihre glänzenden braunen Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden und sich die Schildpattbrille von Prada in die Stirn geschoben. Baby rückte den abgewetzten Holztisch ein Stück zur Seite, damit Lynn sich setzen konnte.
»Ich brauche jetzt eine schöne Tasse heißen Oolong. Kennst du dieses Gefühl, Baby?«, fragte Lynn, nachdem sie Platz genommen hatte. Baby nickte glücklich. Als sie klein gewesen war, hatte ihre Mutter an Tagen, an denen es schneite, immer Oolong-Tee gemacht.
»Schön.« Lynn nickte. »Einen Oolong, bitte!«, rief sie, obwohl nirgends ein Kellner zu sehen war. »Und ein paar Kekse oder irgendetwas anderes, das Kohlenhydrate enthält!«, fügte sie in gleicher Lautstärke hinzu. Dann sagte sie etwas leiser: »Also, Baby, was kann ich für dich tun?« Sie musterte sie aufmerksam. Ihre Augen waren genauso karamellbraun wie die von Sydney.
»Na ja, es ist so …« Plötzlich war Baby so verlegen, dass sie kein Wort mehr herausbrachte. Sie blickte aus dem Fenster. Die Blätter an den kleinen, knorrigen Bäumen, die den Gehweg säumten, begannen sich zu verfärben, und die Passanten eilten mit gesenkten Köpfen an ihnen vorbei.
Baby fröstelte und zog den Kragen ihres Sweatshirts höher. »Ich glaube, ich konzentriere mich auf die falschen Dinge«, sagte sie schließlich. Das klang irgendwie viel besser, als zu sagen, sie wäre von Männern abhängig.
»Inwiefern?«
Eine Bedienung brachte ein Kännchen Tee, zwei Tassen und einen Teller mit verschiedenen Keksen. Die
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