Nimmerklug im Knirpsenland
die Eiterbildung.“
„Aber Sie werden zugeben müssen, daß Ihr Jod die Haut verbrennt, während die Behandlung mit Honig vollständig schmerzlos ist.“
„Ich kann mir vorstellen, daß die Honigbehandlung für Knirpselinen geeignet sein mag, für uns Knirpseriche taugt sie auf keinen Fall.“
„Weshalb denn nicht?“ fragte Pfefferminza erstaunt.
„Sie haben doch selbst gesagt, daß die Behandlung mit Honig vollkommen schmerzlos ist.“
„Halten Sie es für unbedingt erforderlich, daß der Patient Schmerzen hat?“
„Unbedingt“, erwiderte Doktor Rizinus. „Wenn ein Knirpserich über den Zaun klettert und sich das Bein schrammt, so muß die Schramme mit Jod ausgebrannt werden, damit der Knirps von nun ab weiß, daß Zal}nklettern gefährlich ist. Dann tut er es ein nächstes Mal nicht wieder.“
„Beim nächsten Mal klettert er nicht über den Zaun, sondern aufs Dach, fällt herunter und schlägt sich den Kopf auf“, meinte Pfefferminza.
„Dann werden wir ihm den Kopf mit Jod bestreichen, damit er sich ein für allemal merkt: Dachkletterei ist ebenfalls gefährlich. Jod ist ein hervorragendes Erziehungsmittel.“
„Ein Arzt sollte nicht an die Erziehung denken, sondern daran, wie er dem Kranken die Schmerzen lindert“, versetzte Pfefferminza. „Mit Ihrem Jod machen Sie die Schmerzen nur noch größer.“
„Ein Arzt muß an alles denken“, erklärte Rizinus. „Wenn Sie Knirpselinen behandeln, brauchen Sie selbstverständlich an gar nichts zu denken, aber bei den Knirpserichen …“
„Reden wir lieber von etwas anderem“, unterbrach ihn Pfefferminza. „Es ist ja einfach unmöglich, mit Ihnen zu tanzen.“
„Nein, Sie sind es, mit der man nicht tanzen kann.“
„Sie sind nicht sehr höflich.“
„Ja, ich bin unhöflich, wenn man so unmögliche Behauptungen aufstellt.“
„Sie sind es doch, der unmögliche Behauptungen aufstellt. Sie sind kein Arzt, sondern ein unglückseliger Kurpfuscher!“
„Sie … Sie!“ Doktor Rizinus war sprachlos. Er blieb mitten auf der Tanzfläche stehen und japste nach Luft – wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die tanzenden Paare prallten gegen ihn. Pfefferminza wurde hin und her gestoßen. Sie zog ihn am Ärmel. „Tanzen Sie doch weiter. Warum bleiben Sie stehen? Wir sind den anderen im Wege.“ Rizinus winkte resigniert ab, und sie setzten sich wieder in Bewegung. Anfangs tanzten sie schweigend, aber dann fingen sie wieder an zu streiten.
Nudeldick tanzte mit Tönnchen. Ihr Gespräch drehte sich um ganz andere Dinge.
„Mögen Sie Bonbons?“ fragte Nudeldick.
„O ja“, antwortete Tönnchen. „Und Sie?“
„Ich auch. Aber am liebsten esse ich Kuchen.“ „Ich esse am allerliebsten Speiseeis.“ Schraubschnell tanzte mit Eichhörnchen.
„Ich träume immer davon, Auto fahren zu lernen“, erzählte Eichhörnchen. „Bei uns gibt es viele Knirpselinen, die das können – dann werde ich es wohl auch schaffen.“
„Das ist ganz einfach“, versicherte SchraubschnelL „Man drückt auf die Kupplung, gibt Gas …“ Nimmerklug tanzte mit Blauäuglein, das heißt, eigentlich tanzte nur Blauäuglein, Nimmerklug hüpfte herum wie ein Ziegenbock, trat seiner Partnerin auf die Füße und stieß fortwährend die anderen Paare an. Schließlich sagte Blauäuglein: „Wir wollen uns lieber ein wenig setzen.“
Sie nahmen auf einer kleinen Bank Platz.
„Wissen Sie“, sagte Nimmerklug, „ich kann ja gar nicht tanzen.“
„Wie nett, daß Sie es eingestehen“, erwiderte Blauäuglein. „Ein anderer an Ihrer Stelle hätte mir die Hucke voll gelogen, hätte gesagt, ihm täten Füße und Arme weh. Ich sehe, daß man mit Ihnen gut Freund sein kann.“
„Natürlich“, pflichtete Nimmerklug ihr bei.
„Ich bin gern mit Knirpserichen befreundet“, meinte Blauäuglein. „Ich mag die Knirpselinen nicht, weil sie sich zuviel auf ihre Schönheit einbilden und immer vor dem Spiegel herumscharwenzeln …
„Unter den Knirpserichen gibt es auch welche, die gerne in den Spiegel sehen“, antwortete Nimmerklug.
„Aber Sie doch nicht, Nimmerklug“
„Nein, so einer bin ich nicht.“
Das war gelogen. In Wirklichkeit scharwenzelte er, in den Anblick seiner Schönheit versunken, häufig vor dem Spiegel herum, wenn niemand zusah. Übrigens genauso wie jeder andere Knirpserich.
„Ich bin sehr froh, daß Sie nicht so einer sind“, antwortete Blauäuglein. „Wir wollen Freunde sein. Ich schlage vor, daß wir uns Briefe schreiben. Immer abwechselnd.
Weitere Kostenlose Bücher