Nimmerklug im Knirpsenland
Zuerst Sie, dann ich.“.
Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Nimmerklug. Ich kann doch nur Druckbuchstaben.
„Wozu denn einen Brief?“ stotterte er verlegen. „Wir wohnen doch nicht weit voneinander. Wir können uns ja mündlich unterhalten.“
„Ach, Nimmerklug, Sie wollen auch gar nichts für , mich tun. Es ist doch so interessant, einen Brief zu bekommen.“
„Na schön“, willigte Nimmerklug ein. „Ich werde einen Brief schreiben.“
Bald dunkelte es. Viele hundert Laternen leuchteten auf. Sie schimmerten zwischen Bäumen und Zelten. Einige waren unter den Bäumen im Gras versteckt, und es sah aus, als glühte das Gras in zauberischen Farben. Den unteren Teil des Pavillons – oben spielte das Orchester – hatte bisher ein schöner, himmelblauer Vorhang verdeckt. Plötzlich ging er auf, und eine Bühne wurde sichtbar.
Darauf erschien die Dichterio Diamantenblüte und rief: „Achtung! Achtung! Es beginnt unsere Festveranstaltung.“ Die Festteilnehmer ließen sich auf die Bänke nieder, jede Unterhaltung verstummte.
„Achtung“ rief Diamantenblüte wieder. „Zuerst trete ich auf. Ich lese Ihnen mein neues Gedicht über die Freundschaft.“
Knirpseriebe und Knirpselinen klatschten laut in die Hände. Als der Beifall verstummt war, hob Geigenstrich seinen Dirigentenstab, das Orchester setzte ein, und Diamantenblüte sagte unter Musikbegleitung ihr neues Gedicht auf. Es war genauso gut wie alles andere, was Diamantenblüte verfaßt hatte, und endete mit den Worten: „Laßt uns alle Freundschaft schließen, laßt die Freundschaft dauernd sein!“ Nach dem Gedicht, das allen sehr gefiel, trat ein Tanzensemble auf. Zwölf Knirpselinen in schönen bunten, bebänderten Kleidern tanzten verschiedene Tänze, darunter den „Rübentanz“, der am besten gefiel. Er mußte zweimal wiederholt werden. Danach trat der Chor der Drachenstädter Knirpseriche auf. Als der Chor abgetreten war, verließ Geigenstrich sein Orchester, rutschte an einem Stamm vom zweiten Stock ins Erdgeschoß, kletterte auf die Bühne und rief: „Zu mir, Landsleute! Zu mir!“
Immerklug, Rennefix, Doktor Rizinus und die anderen Knirpse kletterten auf die Bühne.
„Achtung!“ rief Geigenstrich. „Jetzt singt der Knirpserichenchor aus Blumenstadt.“
Er spielte die Melodie auf seiner Flöte vor, dann stimmten alle Knirpseriche das Lied vom Grashüpfer an, das der Dichter Blüte verfaßt hatte.
„Was sitzt denn da im Grase,
hüpft wie ein kleiner Hase?
Sieht grün wie Gürkchen aus,
sieht grün wie Gürkchen aus.
Grashüpfer, Gras nur ißt er,
nicht Wurm noch Käfer frißt er, tut keiner Fliege was, tut keiner Fliege was.
Da kommt ein Frosch gesprungen und hat ihn schon verschlungen, frißt ihn mit Haut und Haar, frißt ihn mit Haut und Haar.
Grashüpfer, so zu sterben,
so elend zu verderben,
das hast du nicht gedacht,
das hast du nicht gedacht!“
Das Liedehen war so traurig, daß am Ende sogar die Sänger in Tränen ausbrachen. Alle empfanden Mitleid mit dem armen Grashüpfer, den der gefräßige Frosch verschlungen hatte.
„Es war ein so lieber Grashüpfer“, schluchzte Schussel.
„Niemandem hat er ein Haar gekrümmt, keiner Fliege hat er was getan“, jammerte Rennefix. „Und doch hat ihn der Frosch verschlungen“, ergänzte SchraubschnelL Nur Immerklugs Augen waren trocken geblieben. Er tröstete seine Freunde: „Weint nicht, Kameraden. Der Frosch hat den Grashüpfer gar nicht gefressen. So etwas gibt es ja gar nicht. Frösche fressen Fliegen. Ehrenwort! Nur Fliegen.“
„Trotzdem“, schluchzte Schraubschnell. „Mir tun auch die Fliegen leid.“
„Warum denn? Fliegen sind ein lästiges Ungeziefer, und außerdem verbreiten sie Krankheiten. Komischer Einfall – wegen einer Fliege zu weinen.“
„Ich weine doch nicht wegen der Fliege“, schnaufte Brummer. „Mir fällt nur ein, als wir dieses Lied zum letzten Mal sangen, waren wir noch zu Hause.“ Da heulte Nimmerklug so laut auf, daß den übrigen vor Verblüffung die Tränen versiegten. Sie versuchten ihn zu trösten. Als sie ihn fragten, weshalb er denn so bitterlich weinen müßte, vermochte Nimmerklug vor lauter Schluchzen kein einziges Wort hervorzubringen. Endlich faßte er sich so weit daß er zwischen einzelnen Schluchzern hervorstoßen konnte: „Ich hab … ich hab … ich hab solche Sehnsucht nach Joppe!“
„Wieso denn?“ fragten die übrigen erstaunt. „Bisher hattest du noch niemals Sehnsucht, und jetzt packt sie dich
Weitere Kostenlose Bücher