Nimmerklug in Sonnenstadt
vernünftiger zu erklären."
„Na, weißt du!" Nimmerklug zuckte die Schultern. „In unserer Stadt fehlt es doch am Allernotwendigsten. Keinerlei Wunder gibt es hei uns, keine Spur von Zauberei ... In alten Zeiten war es ganz anders! Auf Schritt und Tritt begegnete man Zauberern, Feen oder wenigstens Gespenstern. Die Märchen berichten ja nicht ohne Grund davon."
„Natürlich nicht ohne Grund", pflichtete Pünktchen bei. „Aber Zauberer gab es nicht nur in alten Zeiten. Auch heutzutage gibt es sie noch, nur, daß nicht jedermann ihnen begegnet."
„Wer kann ihnen denn begegnen? Du viel leicht?" spottete Nimmerklug.
„Wo denkst du hin!” Pünkt chen hob abwehrend die Hän de. „Ich brächte vor Angst kein Wort heraus, wenn mir plötzlich ein Zauberer er schiene. Du dagegen könntest wahrscheinlich mit dem Zau berer reden, du bist tapfer."
„Klar bin ich tapfer", behauptete Nimmerklug. „Aber bis zum heutigen Tage habe ich noch keinen Zauberer getroffen.“
„Das kommt daher, weil Tapferkeit allein nicht ausreicht", sagte Pünktchen. „In einem Märchen habe ich gelesen, daß man drei gute Taten hintereinander vollbringen muß. Dann erscheint ein Zauberer und schenkt einem alles, worum man ihn bittet."
„Auch einen Zauberstab?"
„Natürlich!"
„Was du nicht sagst! Und was hältst du für eine gute Tat? Wenn ich zum Beispiel morgen ganz früh aufstehe und mich mit kaltem Wasser und Seife wasche, gilt das als gute Tat?"
„Na klar", antwortete Pünktchen. „Wenn du jemandem hilfst, wenn jemand gekränkt wird und du für ihn eintrittst, sind das ebenfalls gute Taten. Selbst wenn jemand dir hilft und du dich bedankst, vollbringst du eine gute Tat, denn man soll stets dankbar und höflich sein."
„Ich glaube, das ist gar nicht so schwierig", sagte Nimmerklug.
„Im Gegenteil, das ist sehr schwierig", widersprach Pünktchen. „Denn man muß die drei gurten Taten hintereinander vollbringen; wenn sich nur eine einzige schlechte Handlung dazwischenschiebt, gelten die guten Taten nicht, und man muß wieder von vorne anfangen. Außerdem gilt eine Tat nur dann als gut, wenn man sie selbst vollbringt, ohne einen Vorteil dabei im Auge zu haben."
„Na schön, heute will ich mich noch ausruhen", erklärte Nimmerklug.
„Aber morgen beginne ich mit den guten Taten, und wenn das wahr ist, was in deinem Märchen steht, werden wir den Zauberstab bald. haben."
Wie Nimmerklug gute Taten vollbringt
Am nächsten Morgen erwachte Nimmerklug so früh wie noch nie, wusch sich gründlich mit kaltem Wasser, sparte dabei nicht mit Seife und putzte sich ausgiebig die Zähne.
Das wäre die erste gute Tat! dachte er und kämmte sich vor dem Spiegel sorgfältig die Haare.
Rennefix sah, wie er sich vor dem Spiegel drehte.
„Bildschön, ohne Frage!" sagte er.
„Immer noch schöner als du!" versetzte Nimmerklug.
„Natürlich! Eine so schöne Fratze, wie du sie hast, kann man lange suchen."
„Was sagst du da? Wer soll eine Fratze haben? Ich vielleicht?" brauste Nimmerklug auf und klatschte Rennefix mit dem Handtuch auf den Rücken.
Rennefix rannte davon.
„Ach, du unglückseliger Rennfix!" rief Nimmerklug ihm nach. „Deinetwegen ist die gute Tat nun in die Binsen gegangen!"
Wahrhaftig — die gute Tat war umsonst gewesen, denn Nimmerklug beging eine schlechte Tat, als er Rennefix mit dem Handtuch auf den Rücken klatschte, und jetzt mußte er von vorne anfangen.
Nimmerklug überlegte hin und her, was für gute Taten er sonst noch vollbringen könnte, aber ihm wollte nichts einfallen. Erst nach dem Frühstück funktionierte sein Kopf besser. Als er sah, daß Doktor Rizinus ein Gewürz in einem Mörser zerstieß, um Arzenei zu bereiten, sagte er: „Rizinus, du arbeitest immerzu und hilfst allen anderen, doch dir hilft keiner. Ich will dir die Arznei stampfen."
„Bitte!" sagte Rizinus bereitwillig. „Fein, daß du mir helfen willst. Alle sollten einander helfen."
Er gab Nimmerklug den Mörser, Nimme rklug stampfte Gewürze zu Pulver, und Rizinus drehte Pillen. Das machte Nimmerklug solchen Spaß, daß er mehr Pulver stampfte, als gebraucht wurde.
„Guck mal", sagte Nudeldick zu Saftschleck. „Nimmerklug hat sich entschlossen, Arzt zu werden. Das gibt einen Spaß, wenn er anfängt, die Kranken zu behandeln!"
„Nein, er will sich wohl bei Rizinus anschmieren, damit der Doktor ihm kein Rizinusöl verschreibt",. erwiderte Saftschleck.
Nimmerklug wurde wütend und
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