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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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dort erneut auf den großen Raben, der auf dem schiefen Grabstein hockte und von Zero, der uns bei diesen Wanderungen immer begleitete, freudig begrüßt wurde.
    »Hat der Rabe auch eine Geschichte?«, wollte ich von Greta wissen.
    »Er hat dem Fräulein Elisabeth gehört.«
    »Elisabeth von Metzengerstein?«
    »Ja.«
    »Dem Fräulein, über das Luzia schreibt?«
    Greta nickte. »Man sagt, dass ihr Geliebter nach seinem Tode in Gestalt eines Raben zu ihr zurückgekehrt sei.« Sie streckte den Arm aus und schnalzte mit der Zunge.
    »Hat er einen Namen?«, fragte ich.
    Das große Tier beobachtete uns mit seinen tiefschwarzen Knopfaugen.
    Dann erhob es sich auf breiten Schwingen in die Luft und landete zu meiner Überraschung auf Gretas ausgestrecktem Arm.
    »Nimmermehr«, begrüßte Greta das Tier und streichelte ihm über den Kopf, was dem Raben zu gefallen schien. »Das ist sein Name. Er ist der Rabe Nimmermehr.« Zero stand neben Greta im tiefen Schnee. Der Rabe schien ihm ein vertrauter Freund zu sein.
    »Ist er zahm?«
    »Nein«, antwortete Greta.
    Seltsam.
    Verhielt er sich doch so.
    »Er lebt schon lange in der Gegend.«
    »Wir sollten ihn fragen«, schlug ich vor, »ob er in diesen Wäldern ein weißes Lamm gesehen hat.«
    »Er wird uns nicht antworten«, sagte Greta.
    Nimmermehr musterte mich neugierig.
    Legte den Kopf schief.
    Fast konnte ich mein Spiegelbild in dem Dämonenauge erkennen.
    Dann flog er davon und verschwand im Winterwald.
    »Ist schon seltsam«, murmelte ich.
    »Was?«
    »Alles«, gab ich zur Antwort.
    Greta widersprach mir nicht. »Burg Karfunkelstein ist schon immer so gewesen.«
    »Wie?«
    »Märchenhaft. Irgendwie.«
    Ich dachte an den traurigen Junker und die arme Agnes mit dem prachtvollen Harnisch. Kein Wort mehr hatten wir über die Rückkehr des Junkers verloren. Jede Diskussion endete damit, dass wir uns die Tatsachen vor Augen hielten und es einfach keine Antworten zu geben schien. Der traurige Junker war aus dem Bildnis verschwunden gewesen und dann ebenso schnell wieder aufgetaucht, nachdem der Antiquitätenhändler aus Mayen dessen Geschichte an Luzia geschickt hatte. Die arme Agnes hatte ich auch nicht mehr gesehen, obwohl ich in den Nächten nach ihrem ersten Auftreten des Öfteren durch das Fenster zum Burghof hinuntergeschaut hatte. Und das weiße Lamm, das uns in der Nähe des Tierfriedhofs begegnet war, hatte der Winterwald genauso verschluckt, wie er es vor wenigen Augenblicken mit dem Raben Nimmermehr gemacht hatte.
    »Als ich ein kleines Mädchen war«, erinnerte sich Greta, während wir über den Tierfriedhof schlenderten, »da bildete ich mir oft ein, dass ich eine imaginäre Freundin hätte. Jemanden, der nur für mich da wäre. Ein Burgfräulein aus alter Zeit, das in den Mauern der Burg nach einer Freundin suchte und diese dann in mir fand. So sehr glaubte ich daran, dass ich das andere Mädchen manchmal förmlich sehen konnte.« Eine Schneeflocke fiel ihr ins Gesicht und sah aus wie eine Träne, als sie schmolz. »Natürlich war dieses Mädchen nur meiner Fantasie entsprungen. Aber damals habe ich daran geglaubt. Der Zauber der Burg begann zu wirken. Bis heute bin ich hier gefangen. Dieser Ort ist so voller Magie, Jonathan. Als ich klein war, suchte ich mit dem imaginären Burgfräulein nach dem legendären Karfunkelstein von Naunheim.« Schneeflocken glitzerten in den Froststernaugen. »Wir schlichen uns hinunter in die Schatzkammer in den Kellergewölben des Rübenacher Hauses und durchstöberten die Kunstsammlung. Felsenfest war ich davon überzeugt, dort unten den magischen Karfunkelstein zu finden.« Sie lachte bei dem Gedanken daran. »Papa war natürlich stinksauer, als er mich dort unten fand. Ich hatte die Sammlung alter Kostbarkeiten ganz schön durcheinandergebracht. Dafür gab es dann Stubenarrest. Kannst du dir das vorstellen? Richtig altmodisch, hoch oben im Bergfried, wo ich mir wie Rapunzel vorkam.«
    Ein Geräusch lenkte mich ab. »Was ist das?«
    »Es ist nichts.«
    Zero schnüffelte an einem der morschen Holzkreuze, an dem ein schwarzes Hundehalsband baumelte. Unruhig scharrte er mit den Pfoten im Schnee und jaulte so, als sei dort ein Freund von ihm begraben.
    »Was ist mit Zero?«
    Greta beobachtete ihn. »Manchmal führt er sich so auf, wenn wir hier draußen sind.«
    Wir sahen einander an.
    Einen Augenblick nur.
    Doch lange wie die Ewigkeit …
    Rätsel wurden mit einem Mal greifbar.
    Langsam stapfte ich durch den hohen Schnee auf Zero

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