Nimmermehr
die Nachrichten geisterte, eifrige Polizisten erfolglos fahndeten und der gigantische Norris-Konzern, paradoxerweise oder einer seltsamen Art von Marketing folgend, den höchsten Absatz seit Jahren verzeichnete, hauste der einst so exaltierte Tycoon in dem muffigen, höhlenartigen Kellerloch, war dem Fieberwahn verfallen, litt an Halluzinationen, die von kläffenden Hunden und wimmernden Welpen bevölkert wurden, schiss sich die Seele aus dem Leib, würgte, kotzte, schrie, heulte – und entwickelte, wenn auch nur langsam, eine tiefe Abneigung gegen Tabakwaren jeglicher Art und Form, eine Abneigung, die leise keimte und dann mit rasender Geschwindigkeit erblühte.
Fünf Wochen dauerte Phase vier – und genau so lange dauerte es, bis aus dem fettleibigen und hochnäsigen Oberhaupt des Norris-Konzerns ein reumütiger und tabakhassender Nichtraucher geworden war.
Glooskap wusste, dass er das Richtige tat. Das hatte er immer schon gewusst. Das hatte er immer schon getan. Er war ein Gott. Da biss die Maus keinen Faden ab.
Die VferA jubilierte.
P. E. Norris war bekehrt.
Als sie ihn aus seinem Verlies befreiten, da hatte er jede Ähnlichkeit mit dem Menschen, der vor sieben Wochen dort inhaftiert worden war, verloren. Er war mehr als zwanzig Kilogramm leichter, rank und schlank, wenn auch etwas mitgenommen. Mit wirrem Haar und irre blickenden Augen war er ihnen lichtscheu wie ein Kellertier entgegengekrochen.
Sein Aufenthaltsort glich einer schlammigen Kloake. Der Boden war mit dünnem, tabakdurchsetztem Kot bedeckt. Norris’ Halluzinationen hatten ihn einen Großteil der übrigen, mit mumifiziertem Hundefleisch durchsetzten Zigaretten aufreißen und in verzweifelter Zerstörungswut wild verschleudern lassen. Die Luft stank nach Ausdünstungen jeder Art. Der Camcorder war in seine Einzelteile zerlegt. Mittendrin in diesem Chaos wirkte Norris wie ein neumodischer Kaspar Hauser, streckte die speichelnassen Hände hilfesuchend aus und winselte wie ein Hündchen.
Norris war – zweifelsohne – ein Fall für eine mehrere Wochen erfordernde psychologische Behandlung geworden. Doch dann, nachdem er gewaschen und hergerichtet worden war, zerstreuten sich die Bedenken, die sogar Anne anfänglich gehabt hatte.
»Er hat einiges durchmachen müssen«, stellte Amelia fest.
»Er trägt es wie ein Krieger«, sagte Faithful.
»Dafür ist er jetzt geheilt«, meinten auch die anderen.
Als sie ihn an der 5th Avenue freiließen, da hatte Norris seine Sprache verloren. Er war unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Er stand nur da und sah seinen Peinigern hinterher.
» Die bösen Geister werden nicht länger im Rauch leben « , sagte Glooskap den anderen Göttern, » weil der Rauch nicht mehr böse sein wird. Der Rauch wird wieder sein wie das Leben in den Wäldern. «
» Bist du dir sicher? « , fragten ihn die anderen Götter (von denen es viele gab).
Glooskap nickte, verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust und sagte mit lauter Stimme: » So wird es sein! «
Ein halbes Jahr, nachdem Norris wieder aufgetaucht war, besuchte er die Morning Show auf ABC.
Die Moderatorin bot ihm eine Zigarette an.
Ohne Vorwarnung kotzte Norris ihr aufs Kostüm.
Amelia Guttmundsdottier und die anderen sahen es, wie Tausende von Zuschauern im ganzen Land, während des Frühstücks.
Die Einschaltquoten, so hörte man später, waren hoch gewesen. Die Szene wurde auf allen Sendern wiederholt. Conan O’Brian und Jay Leno liebten die Szene.
Die Aktien des Norris-Konzerns sausten in den folgenden Wochen Richtung Hölle. Es war vorbei.
» Die Welt wird wieder gut sein « , sprach Glooskap. Und er hatte recht.
Ein Jahr später sitzt Norris erneut im »Chez Paul«. Er stochert im Tagesmenü. Es ist der Jahrestag seiner Entführung durch die VferA. Am Nebentisch sitzt eine junge Frau mit einem Mann, der wie ein Indianer oder ein Gott aussieht. Mit einem irgendwie wissenden Gesichtsausdruck scheint die Frau ihn zu beobachten. Der Indianer sieht einfach nur stolz und mächtig aus, wie ein Häuptling. Norris hat die beiden noch nie gesehen.
» Wenn es vorbei ist « , sagte Glooskap zu den anderen Göttern, » dann ist es vorbei. «
» Wie wirst du wissen, wann es vorbei ist? « , fragten die anderen Götter.
Glooskap überlegte. Dann sagte er » Ich bin ein Gott. «
» Das sind wir auch « , sagten die anderen Götter.
Glooskap überlegte. Dann sagte er: » Dann wisst auch ihr, dass es so ist!
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