Nimmerzwerg
der beiden mit aufgestellten Ohren folgte.
„Verstehst du denn nicht?“, rief Pilzgrimm in diesem Moment. „Es geht nicht um Überlieferungen, es geht um die Zukunft! Das Wissen, das du bewahrt hast, ist dazu da, die Zwerge zu mahnen. Aus dem Wissen in jenem Buch können sie lernen!“
Das Gedächtnis aber wollte davon nichts wissen: „Pah, Wissen ist die Krücke derer, die sich nicht auf die Legenden zu stützen wagen! Lernen? Wofür soll das gut sein?“
„Für eine bessere Zukunft!“
„Zukunft? Wenn ich dich an den letzten Teil der großen Erzferkelprophezeiung erinnern darf, dann wissen wir nicht einmal, ob wir überhaupt eine haben!“
„Hättest du uns diesen letzten Teil früher offenbart, hätte der Schicksalszwerg dem Schicksal womöglich noch trotzen können!“, entgegnete Pilzgrimm.
Das Gedächtnis druckste ein wenig herum.
„Ihr… ihr wart noch nicht so weit.“
„Natürlich“, rief der Gelehrte empört. „Da mussten wir erst einmal warten, bis du tot bist, oder was?“
Und dann eskalierte der Streit im Inneren des Steins.
„Ach, lass mich doch in Ruhe“, murrte das Gedächtnis.
„Such dir einen eigenen Stein!“, giftete der Gelehrte zurück.
„Du ahnst nicht, wie gern ich das tun würde! Und ich würde ihn mit Freuden mit jeder anderen Seele teilen, solange es nicht die deine ist.“
„Legendenlutscher!“
„Wissenswicht!“
Der Stein auf Schwartzbarths Tisch erzitterte kurz, beinahe, als würden irgendwelche Kräfte in seinem Inneren toben. Dann herrschte wieder Schweigen.
Der Kapitän der Sturmgluth schüttelte den Kopf und wandte sich, die Pfeife im Mundwinkel, wieder dem Buch zu. Zumindest war jetzt Ruhe, und er konnte sich wieder den Zeichen in dem Buch widmen. Jedenfalls so lange, bis der Stein wieder zu streiten begann.
Schweigend und staunend blätterte Schwartzbarth weiter. Er schritt mit glänzenden Augen voran, ein Neuling in den wunderlichen Stollen des Wissens. In seinem Kopf wurden aus Möglichkeiten Gewissheiten. Er würde einen Antrieb konstruieren, mit dessen Hilfe die Sturmgluth höhere Geschwindigkeiten erreichen und mit einer Ladung Blitzbasalt weiter fahren würde, als sie es bisher getan hatte. Der gegenwärtige Antrieb der Sturmgluth beruhte vor allem auf den Erkenntnissen Krummdingk Eisenkeims, des linken Hammers Wutrich Pilzgrimms, der vor einigen Hundert Jahren zu den Entzwergten gegangen war, um ihnen die Geheimnisse des Fortschritts zu bringen. Schwartzbarth und seine Mannschaft hatten ihn entführt und ihn gezwungen, die Sturmgluth, die damals kaum mehr als ein dreimastiger Magmasegler gewesen war, zu verbessern. Und danach hatte Schwartzbarth für ihn ein Lösegeld von den Entzwergten gefordert, das sich gehämmert hatte.
Und sie hatten es bezahlt. Brocken für Brocken, um den Schöpfer und Bewahrer ihrer Technologie wieder in ihrer Mitte zu wissen. Aber das Wissen Krummdingk Eisenkeims hatte allenfalls aus einem Bruchteil dessen bestanden, was auf diesen Seiten zu finden war. Dieses Kompendium war von seinem Lehrer geschaffen worden. Und mit Hilfe dieses Wissens würde Schwartzbarth sein Schiff in eine uneinnehmbare schwimmende Festung verwandeln können. Einen Palast am Grunde des Vergessens!
Noch aber war es nicht so weit. Vor ihm lagen noch mehr Zeichen, mehr Wissen und mehr Zukunft.
Es kribbelte ihn förmlich in den Fingern, als er seine Hand unter die nächste Seite schob und sie umblätterte, während er den Pfeifenhalter zum Mund führte und eine große Rauchwolke in die stille Luft seiner Kajüte paffte.
Die Ratte streckte den Kopf vor und versuchte mit zitternden Barthaaren, ein wenig von dem Rauch abzubekommen.
Schwartzbarth spürte die Bewegung des Tiers auf seiner Schulter. Versonnen holte er die silberne Dose mit dem Flammenanker hervor, ließ sie aufschnappen und hielt Trolltöter zwischen zwei Fingern ein wenig Zwergenhaar hin. Die Barthaare der Ratte zitterten leicht, und dann begann sie, die Leckerbissen gierig zu verschlingen.
Zufrieden tätschelte Schwartzbarth den Rücken des Tiers mit seiner Pfeife.
Dann blickte er wieder zu dem Stein hinüber, der reglos und schweigend auf seinem kleinen metallenen Ständer neben dem offenen Buch lag.
Schwartzbarth sog vorsorglich noch einmal tief den bitteren Rauch des glimmenden Gottkrautes ein. Dann wandte er sich an den Stein: „Also, Pilzgrimm, wenn ihr euch wieder beruhigt habt, dann lehre mich ein weiteres Zeichen! Die Schicht ist noch nicht vorüber. Bring mir noch
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