Nimmerzwerg
ihren Herrn zu finden.
Schwartzbarth hockte, die Pfeife im Halter, eingehüllt in eine Wolke Gottkrautrauch, über dem aufgeschlagenen Buch. Neben ihm lag der Seelenstein. Der Kapitän blätterte, und seine Augen funkelten gierig. Pilzgrimm hatte ihn Zeichen gelehrt. Noch nicht viele, aber doch einige. Genügend, dass sich die Möglichkeiten vor ihm abzuzeichnen begannen, die das Wissen der Zwerge ihm eröffnen würde.
In dem Buch wurde von mechanischen Werkzeugen ohne Tiere in ihrem Inneren berichtet, die alles vermochten, was man sich nur vorstellen konnte. Maschinen, die sich selbst antrieben, Waffen, Fortbewegungsmittel, mechanische Räderwagen. In diesem Kompendium ruhten wahre Schätze! Und sie waren für ihn zum Greifen nahe, hatten bereits begonnen, sich zu materialisieren…
Seit Beginn der Lektionen hatte Schwartzbarth seine Kajüte nicht mehr verlassen. Er rauchte und las und vergaß darüber sogar das Saufen.
Trolltöter tippelte von einer Schulter auf die andere, polierte mit den Pfoten die silbernen Ohrringe seines Herrn und wunderte sich über sein Verhalten. Das Tier hatte ihn noch nie zuvor so erlebt.
Staunend blätterte Schwartzbarth eine weitere Seite um und drehte den Kopf ein wenig in Richtung des Steins: „Es ist unglaublich, Pilzgrimm. Diese Zeichen formen Worte, und diese Worte ergeben Sinn! Was für ein köstliches Gefäß dieses komplette Kompendium doch ist.“
Pilzgrimms Stimme klang beinahe feierlich, als er entgegnete: „Was sich dir hier eröffnet, ist die Kraft des Wissens.“
Mit glänzenden Augen fuhr Schwartzbarth mit dem Finger über die Ansammlungen von Zeichen.
„Es ist wahrhaftig unglaublich.“
„Ja, fürwahr, Schwartzbarth“, erwiderte Pilzgrimm. „Und ist das nicht besser als Rauben und Plündern?“
Schwartzbarth stutzte und blickte auf. Verwundert sah er den Stein an und räusperte sich.
„Naja, so weit würde ich nicht gehen.“
Und dann erklang aus dem Inneren des Steins wieder die zweite Stimme: „Ich habe es dir doch gesagt! Es kann nicht funktionieren. Dieser Kerl ist ein schäbiger Schurke, ein Fiesling sondergleichen! Was denkst du denn, was dein Wissen aus ihm machen wird?“
Schwartzbarth stöhnte auf. Nun ging das schon wieder los. Der Stein begann wieder mit sich selbst zu streiten.
„Dieses Wissen wird einen anderen Zwerg aus ihm machen!“, ertönte da auch schon die Stimme Pilzgrimms.
Die zweite Stimme lachte auf.
„Oh ja, und zwar einen schlauen schäbigen Schurken!“
„Wir sollten das nicht vor ihm besprechen“, sagte der Geist des Gelehrten beschwichtigend. „Lass uns warten, bis er schläft oder wir allein sind. Ich denke…“
„Ach, damit er es nicht mitbekommt? Er soll ruhig wissen, was ich von ihm halte! Hast du das gehört, Schwartzbarth? Ich gebe keinen Klumpen Trollrotz auf dich!“
Schwartzbarth hob verwundert eine Augenbraue und den darin verflochtenen Teil des Bartes. Es war das erste Mal, dass er von einem Stein beleidigt wurde. Einen Zwerg hätte er in einem solchen Moment umgehend zum Zweikampf gefordert. Einen Stein aber?
Er nahm einen weiteren Zug aus seiner Pfeife und fuhr den roten Kiesel ärgerlich an: „Wer, zum Erz noch eins, spricht da?“
Er hatte während des vorangegangenen Streites zwar mitbekommen, dass Pilzgrimm im Inneren des Steins nicht allein war, doch wem die andere Stimme gehörte, hatte er nicht begriffen.
Das einstmalige zweibeinige Gedächtnis zögerte nicht mit der Antwort: „Einer, der sich nicht scheut, dir zu sagen, dass du ein räudiges Stück Wanzenfett bist!“
Schwartzbarth packte den Stein und funkelte ihn böse an.
„Was glaubst du, wer du bist?“
Und dann hörte er wieder Pilzgrimms beschwichtigende Stimme.
„Ein Irrtum, Käpt’n, lediglich ein Irrtum. Ich werde mich darum kümmern, während Ihr die Zeichen lernt, die ich Euch als Letztes gezeigt habe. Verzeihung.“
Doch nun empörte sich die andere Stimme erst richtig: „Verzeihung? Du bittest diesen Wanzenbart ernsthaft um Verzeihung? Ich kann es nicht glauben. Dieser Sohn einer Aschassel will den Schicksalszwerg an die Trolle verschachern! Meinen Herrn! Den Ferkelbändiger! Sogar den kleinen Blödbart! Ich werde das nicht zulassen!“
Und dann war der Stein plötzlich still.
Stirnrunzelnd legte Schwartzbarth ihn beiseite. Wer mochte sich wohl noch in seinem Inneren verbergen? Er wusste nicht allzu viel über Seelensteine. Allerdings hatte er gehört, dass ein solcher Stein bis zu drei Zwergenseelen
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