Nimmerzwerg
flüsterte er wie zu sich selbst: „Und ihr scheint mir noch weit mehr zu sein als bloß der Schicksalszwerg.“ Ehrfürchtig fuhr er mit dem Daumen über das kleine Grübchen in Glimmboldts Kinn. „Das Zeichen der Schaufel…“
Fazzgadt beugte sich zu seinem Zögling hinüber und betrachtete ihn kopfschüttelnd. Weit mehr als bloß der Schicksalszwerg? Das Zeichen der Schaufel? Dieser Zwerg redete ebenso wirr wie die Flammsteinfischer an Bord der Sturmgluth. Was hatte das alles zu bedeuten?
In diesem Moment schnappte Glimmboldt nach dem Finger des Fremden. Laut knallten seine künstlichen Stahlzähne aufeinander, und von einem Schlag auf den anderen verwandelte sich die Ehrfurcht auf dem Gesicht des Fremden in Schmerz.
Hastig zog er die Hand zurück und rang sich mühsam ein Lächeln ab.
„Wir sollten keine weitere Zeit verlieren.“
Er lehnte seinen Hammer an die Stollenwand und griff in seinen Bart, aus dem er einen kurzen Augenblick später einen kleinen eisernen Schlüssel hervorzog.
Die Verwunderung der Gefährten wuchs immer weiter an. Sprachlos sahen sie dem Fremden dabei zu, wie dieser sich bückte und einen Moment später seine Ketten öffnete.
„Du… du hast einen Schlüssel?“, stammelte Blechboldt. „Aber wie ist das möglich? Dieser Horrk…“
Hastig befreite der Zwerg nun einen nach dem anderen, während er antwortete: „Er ist ein Zwergensympathisant. Oder denkt ihr, Stinkschädel würden von sich aus Blätter fressen?“
Zuletzt löste er die Ketten Glimmboldts und des Generals. Dann waren sie alle frei, und der Fremde knotete sich den Schlüssel wieder in seinen Bart.
„Von Horrk haben wir auch die Schlüssel bekommen. Das Problem sind jedoch die restlichen Trolle. Man kann ihnen nicht trauen. Außerdem vergessen sie manchmal, dass sie eigentlich unsere Verbündeten sind. Und nach außen hin muss hier alles wie ordentliche Sklaverei aussehen, damit niemand misstrauisch wird.“
Ordentliche Sklaverei. Obwohl diese Formulierung auf die Gefährten etwas befremdlich wirkte, beschlossen sie, zunächst nicht weiter darauf einzugehen.
Flammrank wandte sich an den Unbekannten: „Aber was jetzt? Werden wir fliehen?“ Er witterte die vage Chance, während der Flucht vielleicht doch noch einen heldenhaften Tod erleiden zu dürfen.
„Können wir nicht einfach weiterarbeiten? Nur ein bisschen?“, fragte Fazzgadt leise.
„Horrk ist also auf unserer Seite“, sagte Blechboldt an den Fremden gewandt. „Aber was ist mit diesem Krangk? Der Hohepriester befindet sich in seiner Gewalt und…“
Der Zwerg winkte ab.
„Macht euch keine Sorgen. Alles ist vorherbestimmt.“
Fazzgadt bekam ein weiteres Mal die Gelegenheit, die Fäuste zu ballen und die Augen zu verdrehen, während ihr Gegenüber ihnen bedeutete, sich eng an die Wand zu pressen. Dann lugte er vorsichtig aus dem Gang hinaus. Als er in unmittelbarer Nähe keinen Aufseher entdecken konnte, nickte er den anderen zu.
„Gut. Folgt mir und verhaltet euch ruhig!“
Wortlos setzten sie sich in Bewegung und ließen ihre Ketten an der Wand des Ganges zurück. Wie zuvor ließ sich Flammrank vom Ferkelbändiger führen, während Fazzgadt Glimmboldt bei der Hand nahm und noch einmal wehmütig auf die gerade behauene Wand zurückblickte. Dann folgte er seufzend den anderen Zwergen.
Der halbohrige Thorf Glimmspan trieb sich unterdessen bereits seit einiger Zeit unweit des Trollmarktes herum. Die Überreste seines Ohrs waren inzwischen beinahe verheilt. Um seinen Unmut zu bändigen, hatte er sich mit ein paar Trollen betrunken und zwei oder drei von ihnen nach seiner Art im Armdrücken besiegt. Er hatte sich die Kleider vom Leib gerissen, mit ihnen um die Wette gebrüllt, sich im Dreck gesuhlt und war neben ihnen im Schlamm eingeschlafen. Inzwischen stank er tatsächlich wie einer von ihnen.
Er hatte mit ihnen gerauft, getrunken und gestunken. Und er hatte es genossen.
Denn es war die einzige Möglichkeit, die Demütigung zu verdrängen, die er durch Schwartzbarths Klinge erfahren hatte. Im Augenblick erschienen die Trolle ihm sogar weit zivilisierter als die meisten Zwerge – was allerdings auch maßgeblich an seinem eigenen gegenwärtigen Zustand lag.
Glimmspan wusste nicht einmal, ob er überhaupt je auf die Sturmgluth zurückkehren würde. Für ihn gab es dort nichts mehr. Alles, was ihn dort erwartete, war ein Kapitän, der seine Treue nicht zu schätzen wusste, und die reelle Chance darauf, auch noch den Rest seines
Weitere Kostenlose Bücher