Nimue Alban 10 - Der Verrat
offiziell verkündete, die Wahrheit sah nun einmal ein wenig anders aus. Die Wahrheit aber hatte die lästige Te n denz, irgendwann eben doch ans Licht zu kommen – vor allem dank dieser verwünschten kirchenkritischen Flugblä t ter und Plakate, deren Urheber die Inquisition immer noch nicht hatte dingfest machen können. In den besetzten Gebi e ten zum Beispiel stellte man sich der Kirche von Charis in Wahrheit ganz und gar nicht heldenhaft und trotzig entg e gen.
Im Alten Charis war das natürlich zu erwarten gewesen, und wahrscheinlich auch in Emerald, zumindest in einem gewissen Maße – und sei es auch nur, weil das Fürstentum dem Ursprungsort dieser Seuche so nahe lag. In Chisholm allerdings, das nun definitiv nicht unmittelbar um die Ecke des Alten Königreichs Charis lag, hatte man nachgerade r u hig auf die Entscheidung der abtrünnigen Königin reagiert, den ketzerischen König von Charis zu ehelichen. Vielleicht noch schlimmer war, dass es in Zebediah praktisch genauso gekommen war. Sämtliche Berichte ließen sogar vermuten, dass sich Zebediah freiwillig und durchaus bereitwillig dem charisianischen Kaiserreich angeschlossen hatte – und de s sen Kirche. Zweifellos war das zum Teil die unausweichl i che Folge davon, dass das Volk Tohmys Symmyns abgrun d tief verabscheut hatte. Aber am schlimmsten von allem …
»Ihr denkt an Corisande, Euer Exzellenz? «
»Ich denke an jedes Reich, das die verdammten Charisi a ner ansteuern «, erwiderte Clyntahn säuerlich, »aber: ja, C o risande war das andere gottverdammmte Geschwür! Ich weiß, dass unsere Berichte aus Manchyr immer schon vera l tet sind, wenn sie endlich hier eintreffen. Ich weiß auch, dass Sie alles, was uns schließlich erreicht, immer in ein mö g lichst gutes Licht rücken. « Er warf Rayno einen recht frost i gen Blick zu. »Aber diese gottverdammten ›Reformisten‹ gewinnen offenkundig auch in Corisande zunehmend an B o den! Und dieser Zirkus, den dieses Miststück Sharleyan a b gezogen hat, als sie da unten war, hat das Ganze nur noch vorangetrieben. Die verdammten Corisandianer werden zu Charis überlaufen, genau wie die Chisholmianer und die Zebediahaner. Das wissen Sie genauso gut wie ich, Wy l lym! «
Bedauerlicherweise stimmte das – auch was die … nun, Aufhellung der Berichte anging. Es wäre einfacher gewesen, wenn sich in den vielen Berichten wenigstens hin und wi e der tatsächlich eine gute Nachricht befunden hätte.
Eines war Rayno klar: In Corisande war schon immer deutlich mehr reformistisches Gedankengut gehegt worden, als man in Zion jemals begriffen hatte (auch diesen Punkt wollte Rayno nicht unbedingt gerade jetzt erwähnen.) Dieses Gedankengut war – zumindest ursprünglich – nicht ketz e risch und auf eine Kirchenspaltung aus gewesen. Nachdem aber Clyntahn den ›Kreis‹ der Reformisten in Zion hatte ausheben lassen, hatten sich die Reformbestrebungen noch verstärkt. Der Großinquisitor hatte dieses Vorgehen so b e fohlen, und Rayno verstand durchaus, warum. Aber vorm a chen durfte man sich nichts, was das anging: Corisande hatte auf das Exempel, das Clyntahn statuiert hatte, mit Abscheu und Zorn reagiert. Möglich war das natürlich nur gewesen, weil das Inselfürstentum durch viel Salzwasser vom Festland getrennt war und deswegen den Zorn des Großinquisitors nicht unmittelbar zu fürchten brauchte. Die Kirche von Ch a ris hatte daher leichtes Spiel gehabt, unterstützt durch die vorsichtige Vorgehensweise der Besatzungsstreitkräfte, die das Kaiserpaar befohlen hatte. Sharleyan selbst hatte denen gegenüber, die des Hochverrats angeklagt gewesen waren, erstaunlich viel Gnade walten lassen. Das alles hatte den Zorn über Prinz Hektars Ermordung im Land deutlich abg e schwächt. Vor allem, weil Sharleyan das gleiche Maß an Gnade auch dann noch walten ließ, nachdem ein Attentäter sie beinahe auf ihrem eigenen Thron ermordet hätte. Auße r dem hatte die ursprüngliche Entrüstung über Hektars Ermo r dung schon nachgelassen, noch bevor die Anführer der Nord-Verschwörung in Gewahrsam genommen, geschweige denn verurteilt worden waren.
Also: ja, die ›verdammten‹ Corisandianer liefen tatsäc h lich zu Charis über!
»Was mir aber am wenigsten gefällt, Wyllym «, fuhr Cly n tahn tonlos fort, »ist, dass es für uns jedes Mal mit einem gewaltigen Tritt in den Hintern endet, wann immer wir auf See gegen die Charisianer Vorgehen. Glauben Sie bloß nicht, dass irgendjemand, der sich der Ketzerei
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