Nimue Alban 10 - Der Verrat
Clyntahns Blick ließ ein wenig nach, nachdem Rayno seine vernünftigen Argumente völlig ruhig vorgetragen hatte. Der Großinquisitor durchbohrte den Erzbischof zwar immer noch einen langen, schmerzhaften Moment mit seinem Blick, doch dann lehnte er sich in se i nem Sessel zurück und nickte knapp.
»Sie haben recht «, sagte er, und nun klang seine Stimme wieder deutlich beherrschter, wenngleich immer noch tonlos. »Aber ich will Jahras und Kholman in die Finger kriegen! Die beiden haben Mutter Kirche im Stich gelassen. Sie h a ben Mutter Kirche verraten, und dafür werden sie büßen! «
»Sehr wohl, Euer Exzellenz. Ich habe auch bereits über verschiedene Möglichkeiten nachgedacht, wie sich das b e werkstelligen ließe. Ihre feige Flucht nach Charis wird das allerdings deutlich erschweren. «
In Wahrheit war Rayno der Ansicht, Baron Jahras und Herzog Kholman hätten Umsicht und Besonnenheit damit bewiesen, aus Glyntahns Reichweite zu verschwinden – nicht etwa Feigheit. Beide hatten, so jedenfalls Raynos Ei n druck, vor ihrer Abreise ihr Bestes gegeben, ehrliche und präzise Berichte vorzulegen. Sie hatten Mutter Kirche nac h drücklich vor den Möglichkeiten der Charisian Navy g e warnt. Wahrscheinlich sollte man auch diesen Punkt hier und jetzt besser nicht weiter erörtern.
»Dass wir innerhalb von Charis alles andere als flexibel Vorgehen können, stellt uns vor weitere Schwierigkeiten «, fuhr er stattdessen fort. »Im Augenblick halte ich es nicht für möglich, einen unserer Agenten dorthin zu schicken, der sich der beiden annimmt. Dafür brauchte es schon etwas wie Operation Rakurai. Und solange wir nicht genau wissen, wo die Ketzer die beiden untergebracht haben, dürfte selbst schon die Planung eines solchen Einsatzes … nicht durc h führbar sein, so sehr ich das auch bedauere. «
Clyntahn murmelte einen unverständlichen Fluch, doch zugleich nickte er erneut knapp. Auch schien sich seine G e sichtsfarbe allmählich wieder zu normalisieren. Innerlich gratulierte sich Rayno dafür, hier Operation Rakurai ang e sprochen zu haben. Bislang waren noch keine Berichte da r über in Zion eingetroffen, wie effektiv die Operation verla u fen war – dafür dauerte die Nachrichtenübermittlung schlichtweg zu lange. Doch Clyntahn erwartete immense Effektivität, und diese Vorstellung schien seinen Zorn über die Geschehnisse in Iythria zumindest ein wenig zu besänft i gen. Sollte sich natürlich herausstellen , dass Operation R a kurai ein Fehlschlag würde und nicht der erwartete durc h schlagende Erfolg, würde das den Zorn des Großinquisitors nur noch verdoppeln. Doch die Heilige Schrift lehrte ja, j e der Tag habe genug an seiner eigenen Plage.
»Also gut «, wiederholte der Großinquisitor nach kurzem Nachdenken, »das akzeptiere ich – vorerst. Aber ich will jedes einzelne Familienmitglied der beiden in die Finger b e kommen, die nicht zusammen mit diesen Feiglingen gefl o hen sind. Ich will sie hier in Zion haben, Wyllym. Sie alle! Haben wir uns verstanden? «
»Selbstverständlich, Euer Exzellenz. « Im Sitzen deutete Rayno eine Verneigung an. »Tatsächlich hatte ich bereits vermutet, dass Ihr das wünschen würdet. Aus diesem Grund habe ich schon einen Trupp unserer zuverlässigsten Inquis i toren bereitgestellt. Die Männer werden sich darum kü m mern, die betreffenden Personen umgehend in Gewahrsam zu nehmen. «
»Gut «, grunzte Clyntahn. Dann griff er nach Raynos leicht angeschlagenem Aktenordner.
Er schlug ihn auf, und der Erzbischof hielt unwillkürlich den Atem an. Doch dieses Mal explodierte der Großinquis i tor nicht. Er schürzte die Lippen und legte die Stirn in Fa l ten, während er Seite um Seite überflog.
Clyntahn war ein schneller Leser. Trotzdem dauerte es fast zwanzig Minuten, bis er den Aktenordner durchgeblä t tert hatte. Währenddessen saß Rayno ihm am Tisch gege n über und blickte seinen Vorgesetzten ruhig und aufmerksam an. Schließlich war der Großinquisitor fertig, klappte die Akte lautstark zu und schob sie angewidert von sich.
»Na, das ist ja mal ein schöner Haufen Drachenscheiße! «, bemerkte er mit einer beinahe schon ruhigen Stimme. »O f fensichtlich hat Jahras in seinem Bericht alle Register gez o gen, um nicht allzu schlecht dazustehen. Nur hatte er seinen Bericht bereits abgeschlossen, bevor Kholman den vermaledeiten Ketzern die ganze beschissene Stadt auf dem Silbertablett serviert hat. Vermutlich also steckt irgendwo in diesem schönen
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