Nimue Alban 10 - Der Verrat
Ruhe nahm er den Glaszylinder von einer der Lampen, entzündete den Docht und blies dann den Fidibus aus, den er an den Docht gehalten hatte.
»Was in Langhornes Namen war das ? «, fragte Coris en t setzt. Seine Stimme klang beschämend unruhig.
»Die Charisianer nennen so etwas eine Shan-wei-Kerze «, erklärte der ungebetene Gast belustigt. »Ich für meinen Teil bin ja der Ansicht, sie hätten sich einen etwas taktvolleren Namen überlegen können, wenn man bedenkt, wie Vikar Zhaspahr derzeit dem Kaiserreich und der Kirche von Charis gegenüber eingestellt ist. « Ein Achselzucken folgte. »And e rerseits, wenn man sich anschaut, wie … begeistert so etwas Feuer fängt – und auch, wie es riecht, ist der Name vielleicht doch angemessen, meinen Sie nicht auch? Außerdem habe ich nicht den Eindruck, als schere man sich in Charis darum, ob die zarten Gefühle des Großinquisitors verletzt werden könnten. «
»Zhevons! «, entfuhr es Coris. Unwillkürlich weiteten sich seine Augen. Das gedämpfte Licht der Lampe machte klar, warum sein Gehirn die Stimme irgendwie vertraut vorg e kommen war. Zu dem Gesicht fiel ihm sofort ein Name ein. Nur die Stimme wollte nicht ganz passen. »Ahbraim Zh e vons! «
»Zu Ihren Diensten «, bestätigte Zhevons und verneigte sich. Es war zweifellos derselbe Mann, dieselbe Stimme, doch der Akzent hatte sich verändert. Im Gegensatz zu dem Schmuggler, den Coris kennengelernt hatte, mochte dieser Mann hier aus Zion selbst stammen – sogar aus einer der besseren Viertel der Stadt.
»Warum sind Sie hier? Und wie zur Hölle sind Sie überhaupt in mein Schlafzimmer gekommen? «, verlangte der Graf zu wissen, den Dolch immer noch zum Stoß erhoben.
»Um die Frage zu beantworten, wie ich hier hereingekommen bin … sagen wir einfach: König Zhames ’ Gardisten sind nicht gerade die wachsamsten der Welt. Ehrlich gesagt sind sie sogar ziemlich jämmerlich «, antwortete Zhevons mit nachdenklicher Stimme. »Sergeant Raimairs Jungs sind w e sentlich besser, dafür aber sind es nur sehr wenige. Und ganz offen gestanden: ich bin wirklich deutlich besser darin, mich unbemerkt im Schatten herumzudrücken, als jeder andere, dem man des Nachts da draußen begegnen könnte. «
»Ach, tatsächlich? « Coris richtete sich auf und ließ den Dolch sinken. »Da Sie nun einmal hier sind, bin ich sogar bereit, Ihren Worten Glauben zu schenken. Andererseits «, er kniff die Augen zusammen, »beantwortet das noch nicht die Frage nach dem Warum. «
»Sie haben Graf Gray Harbor im letzten Monat eine Nachricht zukommen lassen «, sagte Zhevons. Nun klang seine Stimme sachlich und ernst, ohne jene Spur der Belust i gung, die Coris zuvor nicht entgangen war. »Ich bin die Antwort auf diese Nachricht. «
Ein Eiszapfen schien an Coris ’ Rückgrat herabzugleiten. Es war reiner Instinkt, die Sache eines Augenblicks. M o mentan befand er sich ja auch in einer riskanten Situation. Doch dieses Gefühl – sein Magen krampfe sich zu einem kleinen Ball zusammen – verdrängte der Graf sofort. Wenn Zhevons ein Agent der Inquisition wäre, hätte es überhaupt keinen Sinn, jetzt noch irgendein aufwändiges Täuschung s manöver einzuleiten. Außerdem hatte ja genau dieser Mann die Brief-Wyvern erst an ihn ausgeliefert.
»Wie es der Zufall wollte, war ich Talkyra am nächsten «, fuhr Zhevons fort. »Deswegen hat mich Seijin Merlin geb e ten, Ihnen die Antwort auf Ihre Nachricht zu überbringen. «
»Merlin? «, wiederholte Coris.
Über einen gewissen Merlin Athrawes hatte Phylyp Ahzgood in den letzten drei oder vier Jahren sogar reichlich Informationen zusammengetragen. Das meiste davon war schlichtweg ungeheuerlich und ganz offensichtlich hof f nungslos übertrieben. Andererseits gab es viel über diesen Mann zu berichten. Angesichts dieser Flut von Zeugenb e richten hatte Coris sich überzeugen lassen, Athrawes könnte tatsächlich ein Seijin sein – so lächerlich das dem Grafen auch erscheinen mochte. Natürlich schien niemand genau zu wissen, was ein Seijin eigentlich war. Die alten Legenden über diese wundersamen heiligen Männer halfen hier auch nicht viel weiter. Andererseits hatte dieser Zhevons es nicht nur geschafft, an König Zhames ’ zugegebenermaßen zwei t klassigen Gardisten vorbeizukommen – und das anscheinend mühelos, sondern auch an Tobys Raimairs Wachposten. D a zu bedurfte es besonderer, vielleicht gar legendärer Fähi g keiten …
»Darf ich davon ausgehen, dass auch Sie ein
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