Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
allzu sehr aufzuhalten.«
»Lobenswert, Sergeant.« Der Major tätschelte ihm die Schulter. »Sehr lobenswert.«
Knurrend nahm Colonel Lywys Maiksyn den Helm ab und wischte sich mit einem Taschentuch über die schweißnasse Stirn. Vor einer halben Ewigkeit war das Taschentuch einmal weiß gewesen. Fast genauso lange war es mittlerweile her, dass seine Miliz-Uniform gepflegt ausgesehen hatte. So wie zu Friedenszeiten. Damals war Maiksyn noch ein einfacher, leidlich wohlhabender Händler gewesen, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdiente, auf dem Kanal Getreide, Vieh, Äpfel, Tafelnüsse und Bergananas nach Siddar-Stadt zu befördern. Aber das war einmal: Momentan stand Maiksyn auf durchweichtem Grund um einen kleinen Teich. Aus dem Teich, ragten noch die Kronen sauber beschnittener Apfelbäume heraus wie Grabsteine: eine weitere kleine, einst gut geführte Farm, die dem Heiligen Krieg zum Opfer gefallen war.
Hol’s Shan-wei! , dachte er zornig. Den ganzen Winter erfrieren wir fast, und jetzt ist es gerade einmal Mai, und wir stecken bereits in einem gottverfluchten Hochofen!
Wütend stopfte er das Tuch zurück in die Hosentasche. Die Hitze war nur Einbildung. Er wusste das. Gewiss, warm war es hier unten auf dem Grund der Kluft durchaus, aber nicht heiß. Bedauerlicherweise half dieses Wissen dem Colonel keinen Deut: Er hatte trotzdem das Gefühl, die Glut der Höllentore zu spüren – kein Wunder nach dem langen, bitterkalten Winter! Überall summten und sirrten frisch geschlüpfte Insekten, denen der feuchte Boden zu beiden Seiten der Saiknyr-Landstraße ideale Brutplätze geboten hatte. Insekten allüberall: nichts, was die Stimmung des Milizoberst hätte heben können. Die Schneeschmelze hatte eingesetzt, und Schmelzwasser schoss in gewaltigen Mengen ins Tal hinab. Gurgelnd und gluckernd strömte es durch die Düker unter dem leicht erhobenen Straßenbett und ergoss sich in den Guarnak-Sylmahn-Kanal. Der Kanal war der nördlichste Zufluss des Sylmahn und kreuzte die Landstraße wieder und wieder. Er schlängelte sich von einem Durchlass zum nächsten, immer entlang der Ostwand der Schneewüstenberge. Ebenso wie bei allen Bächen und Flüsschen hier stieg der Wasserspiegel auch im Kanal immer weiter an. Wenn diese Idioten am anderen Ende der Kluft nicht bald die Serabor-Schleuse öffneten, würde dieses ganze verdammte Tal absaufen!
Und genau darauf legen es die Dreckskerle an! , dachte er und gestand sich damit den wahren Grund für seinen Zorn ein. Wenn wir denen erlauben, sich dort festzusetzen, riegeln die den Kanal ab, einfach so – und den ganzen Fluss gleich mit dazu, bis nach Terykyr! Dann kann vor Anfang Juli niemand in die Kluft gelangen. Genau deswegen schickt uns Baikyr ja auch her. So ein Glück aber auch!
Maiksyn konnte Pawal Baikyr nicht leiden: Baikyr, ein Berufssoldat, war mit einem Viertel seines ursprünglichen Regiments zu den Rechtgläubigen übergelaufen. Aber gegen dessen strategische Entscheidung ließ sich wenig machen. Als Berufssoldat wurde er automatisch ranghöher eingestuft als jeder ranggleiche Offizier der Miliz. Zudem hatte er seinen Posten Pater Shainsail Edwair zu verdanken: Der Schuelerit und Oberpriester sprach nun einmal im Namen des Großinquisitors. Darüber hinaus war Baikyr zwar ein Kotzbrocken, aber er leistete verdammt gute Arbeit.
Außerdem hat er recht damit, was in ein paar Tagen geschieht, nehmen wir bis dahin nicht die Serabor-Schleuse ein!
Auch wenn Befehle sinnvoll waren, machte einem das die praktische Ausführung nicht leichter. Serabor einzunehmen, war ihnen schon nicht gelungen, als die Regimenter noch mit voller Truppenstärke gekämpft hatten – und damals kam man auf dem Gelände deutlich besser voran als jetzt! Die Wetterbesserung bestand darin, dass man nicht mehr Gefahr lief zu erfrieren. Aber das sich aufstauende Schmelzwasser durchweichte den Boden so sehr, dass die Beweglichkeit der Truppen deutlich einschränkt war. Gut, vielleicht war das ja tatsächlich ohne Bedeutung – sofern stimmte, was die Kundschafter und Pater Shainsails Spione über die Absichten der Ketzer berichteten. Es gab nur einen Weg herauszufinden, was von diesen jüngsten Berichten zu halten war … und dafür hatte man die 3. Saiknyr-Infanterie ausgewählt.
Einer der Kundschafter des Regiments kam Maiksyn auf einem der wenigen, ausgemergelten Pferde entgegen, die den Winter überstanden hatten. Unter gewöhnlicheren Umständen hätte man den armen Klepper
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