Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
schickten, nahm sich die gerade ausgesandte Waffenlieferung, so groß sie Charis schien, klein aus. Merlin war sich sicher, dass eine charisianische Armee auf dem Schlachtfeld jeden Gegner aufreiben würde … zumindest beim ersten Gefecht. Aber wenn der Armee Gottes und ihren Verbündeten genug Zeit bliebe, aus dem Erlebten Schlüsse zu ziehen, würden sie danach ihre Waffen effektiver zum Einsatz bringen. Es war dann auch nur noch eine Frage der Zeit, bis ihnen die ersten Mahndrayns in die Hände fielen. Vielleicht würde es der Tempel ja nicht fertigbringen, das Geheimnis der Zündhütchen zu ergründen. Aber selbst ein Steinschloss-Hinterlader war schon ungleich gefährlicher als ein Vorderlader. Ihre Geschütze mochten waffentechnisch hinterherhinken, weil sie nur ein glattes Rohr hatten. Aber sie mussten nur zahlreich genug sein, um in einem Ausmaß Tod und Verderben zu bringen, über das Merlin gar nicht nachdenken wollte.
Der Gegner wird vermutlich schneller dazulernen als wir , dachte er grimmig. Denn so ist das immer: Die Seite mit der schwächeren Taktik und den schlechteren Waffen lernt mehr aus ihren Fehlern als die andere Seite daraus lernt, etwas zu wiederholen, was sie bereits beherrscht. Die Siddarmark ist zu groß, und auf ihrem riesigen Territorium werden uns entschieden zu viele Armeen auf einmal gegenüberstehen. Schon zu träumen, wir könnten einen entscheidenden Sieg erringen, wäre vermessen. Nicht in diesem Jahr, und vielleicht auch nicht im nächsten. Für ein Schlachtfeld so groß wie die Siddarmark haben wir einfach nicht genügend Schlagkraft. Bestenfalls können wir also dafür sorgen, dass wir nicht noch weiteres Territorium verlieren … wenn überhaupt.
Diesen Gedanken hielt Merlin für deprimierend genug, um ihn für sich zu behalten.
»Wenigstens sind Ruhsail und Kynt auf dem Weg«, sagte er stattdessen. Rock Point stieß ein zufriedenes Grunzen aus.
Eastshare und Green Valley hatten in der Ramsgate Bay die ersten drei Infanterie-Brigaden des Charisianischen Expeditionskorps eingeschifft. Die Brigaden – sechsundzwanzigtausend Infanteristen, dazu Unterstützungstruppen der Artillerie und der Pioniere – hatten den Marsch dorthin noch besser verkraftet, als Merlin zu hoffen gewagt hatte. Nun, die Uniformen wirkten mitgenommen. Aber die Männer und – ebenso wichtig – die Zugtiere waren gut genährt und erfreuten sich im Großen und Ganzen bester Gesundheit. Eastshare hatte darauf geachtet, an Bord der Transporter auch genug Platz für Last-Drachen und Pferde zu haben, die er für seinen Feldzug nach dem Anlanden bräuchte. Auch ohne SNARCs wusste er, dass sich in der Republik keinerlei Zugtiere mehr auftreiben ließen. Daher hatte er eigenverantwortlich gewaltige Lieferungen von chisholmianischem Getreide und Kartoffeln in die Siddarmark veranlasst. Die große Entfernung zur Siddarmark hatte während des Winters eine Beteiligung Chisholms an den Hilfslieferungen unmöglich gemacht: Genau deswegen gab es in Sharleyans Königreich zumindest noch einen gewissen Überschuss, der nun den Kriegsanstrengungen zugutekommen konnte.
»Die North Bay sollten sie im letzten Juni-Fünftag erreichen«, meinte der High Admiral. »Etwa zur gleichen Zeit nehmen wir den Rest des Expeditionskorps auf. Sobald ich die Schiffe wenden lassen kann, schicke ich sie nach Cherayth und Port Royal, um die nächsten beiden Korps aufzusammeln. Aber deren Eintreffen wird dann deutlich länger auf sich warten lassen.«
»Wir alle können nur unser Bestes geben«, erwiderte Merlin gelassen. »Und achtzigtausend Mann sind ja nun auch nicht zu verachten – vor allem nicht, wenn diese achtzigtausend Mann von Eastshare und Kynt ausgebildet wurden.«
»Ganz zu schweigen davon, dass Ihr ja auch Euren Teil dazu beigetragen habt, nicht wahr?«, versetzte Rock Point und grinste über das ganze Gesicht.
»Wie heißt es so schön: Es dient auch der, der nur lehrt, statt zu marschieren. Nun, eigentlich ist es ganz gut, dass es länger dauern wird, die restlichen Truppen einzuschiffen. Schließlich können wir ja auch nicht unbegrenzt Lebensmittel herbeischaffen. Es steht zu hoffen, dass schon ein Teil der Ernte eingebracht werden konnte, wenn die zweite Welle in der Republik eintrifft.«
»Ja, hoffentlich«, bekräftigte Rock Point.
Erst als die Nahrungsmittel plötzlich ausblieben, hatte der östliche Teil der Republik begriffen, wie sehr er doch von der fruchtbaren Westhälfte des Reiches abhängig war. Nun
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