Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Trotz des widrigen Wetters hatte er immerhin diverse kleinere Einheiten verlegt, und bis zum Ende des laufenden Monats oder spätestens bis Mitte des nächsten sollte eine recht beachtliche Streitmacht vor der Grenze zur Siddarmark stehen. Aber das alles dauerte ungleich länger als nötig. Das hätte sich klar vermeiden lassen, hätte Clyntahn den Captain General schon im letzten Sommer vorgewarnt. Damals hätte man die Truppen bei deutlich besserem Wetter und offenen statt zugefrorenen Kanälen in Marsch setzen können. Alles, auch der Transport von Lebensmitteln, Tierfutter und Munition, wäre viel einfacher gewesen. Ohne diese Versorgungsgüter aber ging keine Armee in den Einsatz.
Wenigstens hatten Desnairia und Dohlar dank des Wetters im Süden ihre Truppen deutlich früher in Marsch setzten können. Leider war die Imperial Desnairian Army deutlich schlechter organisiert als die Armee Gottes. Duchairn, der für deren Logistik verantwortlich war, erschien die Planung der Versorgungswege seitens der IDA nicht gut durchdacht. Nun, eigentlich glaubte er, Desnairias Armeeführung improvisiere bloß! Für Duchairns Geschmack verließ man sich dort zu sehr auf die Kavallerie und maß den neuen Waffen der Infanterie längst nicht genug Bedeutung bei. Die Royal Dohlaran Army nun war zu infanterie-orientiert, und sämtliche Berichte bestätigten, dass Dohlars Gießereien beachtliche Truppenteile, prozentual mehr als bei der Armee Gottes, mit Gewehren und Bajonetten auszustatten in der Lage gewesen waren. Leider war Dohlars Streitmacht auch deutlich kleiner als ihr desnairianisches Gegenstück.
Blieb also der Blick auf die Randstaaten und die Armee Gottes.
Die Hälfte aller Randstaaten-Armeen waren entweder so hoffnungslos veraltet, dass sie praktisch gar keine Waffen neuer Baureihe besaßen, oder sie waren kaum mehr als ein unorganisierter Haufen Männer in Uniform. Die andere Hälfte war weitgehend gut ausgestattet, sehr gut organisiert … und erschreckend klein. Theoretisch könnten diese Truppen die Grenze zur Republik überqueren, sobald die Schneeschmelze einsetzte – oder zumindest, sobald die Kanäle nicht mehr zugefroren wären. Doch tatsächlich würden die meisten von ihnen kaum einen nennenswerten Beitrag zur Kampfkraft von Mutter Kirche leisten.
Damit blieb noch die Armee Gottes: die größte aller Armeen, über die Maigwair derzeit das Oberkommando innehatte. In mancherlei Hinsicht war die winterbedingte Zwangspause für die Armee sogar hilfreich gewesen. Maigwair hatte, das musste Duchairn zugeben, geradezu Wunder gewirkt. In den Gießereien im Süden der Tempel-Lande und in den harchongesischen Anlagen in deren Grenznähe hatte man fieberhaft neue Gewehre produziert. Die Arbeit an Flottengeschützen war eingestellt, stattdessen wurden Feldgeschütze geliefert. Seit etwa anderthalb Monaten wurden auch die neuen explodierenden Granaten gefertigt. Aber selbst wenn sich das Wetter schließlich besserte, würde es noch eine ganze Weile dauern, bis die neuen Waffen auch in hinreichender Stückzahl an die Front geschafft wären. Momentan verfügten Maigwairs Truppen über deutlich mehr Piken als Gewehre. Erst gegen Ende des Sommers sollte sich die Bewaffnungssituation deutlich verbessert haben.
Vorausgesetzt natürlich, wir können das weiterhin bezahlen! , ging es dem Schatzmeister der Kirche durch den Kopf.
»Seit diese ›unerwarteten‹ und ganz ›spontanen‹ Aufstände in der Republik sämtliche unserer bisherigen Überlegungen zunichtegemacht haben, arbeite ich eng mit Allayn zusammen«, entschied er sich zu entgegnen. »Natürlich mussten wir die Pläne für den Wiederaufbau der Flotte vorerst auf Eis legen.« Gequält verzog er das Gesicht. »In Harchong werden die bereits gebauten Schiffe immer noch mit Waffen ausgestattet, aber ganz unter uns: Das liegt vor allem daran, dass da immense Mengen Schmiergelder eine Rolle spielen. Gewisse Posteninhaber erhalten eben ohne Abschluss der Arbeiten kein Geld.«
Zustimmend brummte Trynair. Die gewaltige Bevölkerung von Harchong und deren unverbrüchliche Treue Mutter Kirche gegenüber waren von entscheidender Bedeutung, und die allgegenwärtige Bürokratie des Kaiserreichs vermochte so manches wirklich erstaunlich effektiv zu bewirken. Allerdings gab es nun einmal einen Unterschied zwischen ›effektiv‹ und ›effizient‹ – von ›kostengünstig‹ einmal ganz zu schweigen. Tatsächlich waren in Harchong die Begriffe ›effektiv‹ und
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