Nina, so gefällst Du mir
möchte ich mich einmal mit Nina unterhalten.“
„Wollt ihr etwa hinter meinem Rücken übel von mir reden?“ lachte Gunnar.
„Dazu wäre natürlich allerlei Grund vorhanden. Aber wir haben keine Zeit. Verschwinde jetzt, und laß dir in der Küche viel Zeit. Wir werden rufen, wenn du kommen darfst.“
Gunnar schüttelte verständnislos den Kopf, nahm das Tablett und verschwand. In der Tür drehte er sich um, und hinter dem Rücken des Onkels schnitt er Nina eine neckende Grimasse.
Und dann schloß sich die Tür hinter ihm.
„Also“, sagte Espetun. Seine Stimme war ganz ernst und sehr eindringlich. „Eigentlich hatte ich mit Gunnar auch darüber reden wollen. Aber mir ist eingefallen, daß es wahrscheinlich klüger wäre, es mit dir zu tun. Du scheinst ja doch… hm… eine gewisse, recht gute Beziehung zu Gunnar zu haben.“
Nina errötete wieder. „Herr Espetun, da Sie nun also gesehen haben, daß wir uns küßten, so möchte ich Ihnen nur sagen, daß… daß… ja, ich habe Gunnar wirklich furchtbar gern.“
„Und er dich“, sagte Espetun. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. „Kann es etwas Schöneres in der Welt geben, als daß man sich gern hat, wenn man siebzehn und zwanzig Jahre alt ist? Aber nun mußt du gut zuhören, Nina; denn ich möchte dir etwas ganz Ernstes und Merkwürdiges erzählen, und du mußt mir dein Ehrenwort geben, daß du es bis auf weiteres für dich behältst.“
„Ja, mein Ehrenwort“, sagte Nina. Espetun machte es sich im Sessel noch etwas bequemer und stellte die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander.
„Vor ein paar Wochen“, begann er, „war ich in Oslo. Ich mußte eine neue Brille haben und ging zu meinem Augenarzt.“
„Augenarzt“, wiederholte Nina. Ihre Gedanken machten einen Sprung zu Katja und zu allem, was Gunnar ihr heute erzählt hatte.
„Ja, ich kenne ihn gut, und im Laufe der Unterhaltung erwähnte ich, daß ich nach Trondheim wollte, um eine kleine, blinde Nichte zu besuchen. Und da fragte er mich nach Katjas Fall aus, und ich erzählte das Wenige, was ich wußte. Nun sagte der Doktor, dieser Fall interessiere ihn, und er würde gern mehr darüber erfahren. Ich erinnerte mich, daß Katja zur Untersuchung im Staatskrankenhaus gewesen war. Und das erzählte ich ihm und sagte, er könne sicher ihre ganze Krankengeschichte dort nachlesen.“
„Ja?“ Nina lauschte atemlos. Ihr Herz schlug wie ein Hammer.
„Zwei Tage später läutete er mich im Hotel an, er wolle mit mir reden. Und nun kommt es, Nina – das, was ich fast nicht zu erzählen wage. Ich habe kein Wort zu Katja oder zu meiner Schwägerin davon gesagt; denn die dürfen nicht wieder enttäuscht werden. Also, mein Arzt war gerade von einem Augenärzte-Kongreß in Deutschland zurückgekehrt, und dort hatte er einen Vortrag gehört und eine lange Abhandlung von einem Professor in München gelesen. Dieser Professor hatte ein paar erfolgreiche Operationen an Kriegsblinden vorgenommen. Ja, siehst du, das ist das einzig Gute, was man von einem Krieg sagen kann, der nichts als nur fürchterlich ist, er bringt immer die ärztliche Kunstein Stück weiter. Nun kann natürlich mein Arzt nichts versprechen. Aber er ist riesig daran interessiert, daß der deutsche Professor Katja untersuchen darf. Ich habe hin und her überlegt, wie wir es machen sollen, daß die Enttäuschung nicht allzu groß wird, falls Katja trotz allem nicht geholfen werden kann. Und da habe ich mir gedacht, wir könnten es vielleicht so einrichten, daß meine Frau und ich Katja nach Lillevik einladen, und während sie dort ist, müßten wir eine Geschäftsreise nach Deutschland anberaumen, und ich nehme Katja mit. Aber Gunnar muß auch dabei sein, weißt du. Zum Dolmetschen. Und wir müssen noch jemanden mitnehmen – eine Frau, die für die kleine Katja da ist und das Zimmer mit ihr teilt und ihr in der fremden Umgebung und in fremden Hotelzimmern und so hilft. Meine Frau kann es nicht. Sie ist gerade von der Kur nach Hause gekommen und ist kränklich, wie du weißt. Katjas Mutter unter gar keinen Umständen; denn, wie gesagt, sie darf nicht noch einmal so eine große Spannung erleben und dann am Ende eine fürchterliche Enttäuschung. Aber heute abend ist mir etwas eingefallen. Nina, möchtest du nicht mitkommen?“
Jetzt konnte Nina nicht mehr. Die Tränen stürzten ihr aus den Augen, und sie schlang ihren Arm um den Hals dieses guten, schlichten, herzenswarmen Menschen.
„Ob ich will? Und ob ich will!
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