Ninis - Die Wiege der Baeume
Augen. Mit der Hand umschloss sie ihren Stein und küsste ihren Handrücken. „Nimm meine Angst und schenk’ mir Mut, in der Dunkelheit zu bestehen!”, sagte sie, für die anderen nicht hörbar, zu sich selbst. Dunkle Bilder bedrängten ihre Seele, sie gab sich geschlagen.
„Es ist schon lange her, seit wir das Schicksal meiner Tochter besiegelten. Schon damals haben wir das Geburtsrecht von Yirmesa und den Segen der Monde in die Waagschalen gelegt. Meine Tochter hat daraufhin ihr Leben gegeben, weswegen ihr es nicht gewagt habt, Yirmesa zu verbannen! Heute seht ihr die Zeichen der Monde als Ermahnung, Yirmesa zu vertreiben. Ich verstehe eure Worte, aber …” Levinie stockte. Es war der Zeitpunkt gekommen, einen Schlusspunkt zu setzen. „Ich kann das nicht mehr ertragen! Ich werde euch mit ihr verlassen!”
Etwas später hatten sich draußen bereits einige Hundert Lamenis versammelt. In Levinie war alles erstarrt, die Stimmen in der Nähe drangen nicht mehr zu ihr. Kaum zehn Fuß vor ihr standen Jelor und Karlema auf der Treppe zum Ratsbaum.
Jelor wartete bis Ruhe einkehrte und erhob die Arme: „Der Rat hat sich über das Ritual der schwarzen Lichisrose beraten. Wir erkennen die Zeichen, die Yirmesa einen eigenen Weg weisen. Yirmesa und Levinie werden uns verlassen ... sie werden aber immer ein Teil von uns bleiben!”
Die Menge raunte. Levinie konnte es immer noch nicht fassen, dass Jelor sie fallen lassen hatte. Dabei hatte sie gehofft, nur gegen Karlema anzutreten. In der Vergangenheit war er immer auf ihrer Seite gewesen.
Wortlos ging sie an allen vorbei, für sie endete heute ein langer Abschnitt ihres Lebens. Garmen sprach sie an: „Kannst du bitte ...” Levinie wollte ihm nicht mehr zuhören.
Verlia und Yirmesa saßen schon einige Zeit an dem kleinen See unter dem Wasserfall, Levinie setzte sich wortlos dazu. Ihre Augen waren tränenrot.
Ihre Kleine schaute verträumt den Fischen nach. Verlia blickte erst zu ihr, dann zu Yirmesa und streifte ihrer Freundin mit der Hand traurig durch die schwarzen Haare.
***
Blute mir nicht den Boden voll
Wutentbrannt schlug Siria die Holztür zu und stampfte die Treppe vor dem Arbeitszimmer der Oberen Amone herunter. Sie kochte vor Wut, wie eine Furie zischte sie ihre Schülerin Feriosi an: „Los! Sitz nicht faul rum! Wir haben zu arbeiten!”
„Aber werte Siria! Warum seid Ihr derart besorgt? Was ist geschehen?” Die junge Seherin trank gerade eine Tasse heißen Kräutersud im Speisesaal des Ordens, der sich unterhalb der Räume der Oberen befand.
„Nichts! Wie immer, es ist nichts geschehen! Los, es ist in den letzten Tagen viel Arbeit liegen geblieben. Bring mich in den Kerker!” Amone, dieses ignorante Stück perfider Bosheit! Siria könnte sie umbringen! Zum dritten Mal schickte Amone sie weg, weil sie ihr nicht glaubte. Diese Einfältigkeit schrie zum Himmel. Sie ließ sich doch nicht wie eine Novizin behandeln, sollte Amone doch die Schatten holen!
„Oh, glaubt sie etwa nicht, was Euch die Schatten mitteilten? Das vermag ich kaum nachzuvollziehen, Ihr seid doch die …”
„Genau! Ich bin die Inquisitorin des Ordens! Die Obere Amone ist selbst eine Schattenseherin. Sie sieht immer die Wahrheit!”
Siria fing sich wieder und überspielte ihre Verärgerung. Beide gingen eine lange Treppe hinab. „Sie ist die Behüterin unseres Glaubens!” Amone und die Wahrheit? Die erkannte nicht einmal den Schatten, den ihr knochiger Arsch in der prallen Sonne warf!
So ein Schwachsinn! Sie hätte alles im Griff: Und ihre Astronomen wären genau im Bilde, was gerade passierte. Wenn Siria das schon hörte, die Schatten würden Amone selbst die Wahrheit in die Träume legen und sie hätte durch die Berührung ihrer Feuergöttin Eterius den Quell des Leidens erkannt.
Nur dummes Gerede! Und was hat sie ihr nicht gesagt? Genau! Wo wollte Lorias, diese Schlange hin? Für welchen Feind brauchte sie die komplette dritte Flotte? Und Prinz Manoos, sie dachte immer er wäre anders als der König! Blödsinn, dieser Schlächter war wirklich seines Vaters Sohn!
Unsicher hakte ihre Schülerin nach: „Aber werte Siria. Eure Miene wirkt bedrückt. Ist wirklich alles in Ordnung?”
„Papperlapapp! Schweig jetzt.” Siria unterbrach ihren Zögling barsch, sie hatte keine Lust sich in dieser Situation vor einem Kind zu erklären. „Wir haben keine Zeit, die Zellen sind randvoll!”
Der Dämon würde Ninis berühren! Das konnte jetzt keiner mehr
Weitere Kostenlose Bücher