Ninja-Rache
ziemlich behütet aufgewachsen. Verbrechen kannte ich nur aus dem Fernsehen. Mein Vater war auch Soldat, und er war glücklich, daß ich ebenfalls einen Soldaten heiraten will.«
Shao hörte zu, ohne eine Antwort zu gehen, denn sie mußte sich auf die dunkle Umgebung konzentrieren. Bewußt mieden sie den Schein der Lampen, schritten auch nicht über Wege, sondern schlugen sich quer durch das Gelände.
Shao hatte den Tengu nicht vergessen. Deshalb rechnete sie auch mit einem urplötzlichen Angriff. Wie sie sich dann verhalten sollte, wußte sie nicht, jedenfalls durfte er nicht dazu kommen, seine fürchterlichen Kräfte auszuspielen.
Das Zentrum lag bereits vor ihnen. Ein großer, heller Komplex, von Straßen und Wegen durchzogen, wobei vor einigen Gebäuden Wachtposten standen.
Das hatte Shao etwas beunruhigt, aber sie war von Julia wieder in die Schranken gewiesen worden.
»Keine Sorge, man kennt mich hier. Wenn ich es will, kommen Sie überall hinein.«
»Bist du so berühmt?«
»Nicht ich, mein Vater. Er ist General, befindet sich aber leider am Golf.«
»Verstehe.«
Das Thema schnitten sie nicht mehr an, und Julia hatte auch nicht nach ihrer Waffe gefragt, die so auffällig war. Sie wurde von dem capeartigen Mantel verborgen.
Die Ruhe war dahin. Sie vernahmen Stimmen und auch die Geräusche startender Wagen. Julia deutete gegen die breiten Scheinwerferlanzen, die in einer gewissen Entfernung an ihnen vorbeiwehten. »Wir können nicht mehr in Deckung bleiben, jetzt müssen wir den offiziellen Weg nehmen, wenn wir das Ziel erreichen wollen.«
»Einverstanden.«
Der weiche Boden verschwand, denn sehr bald schon schritten sie über den Beton, sahen vor sich die hellen Bogenleuchten und einen rot-weiß gestreiften Sperrbalken, der ihnen den weiteren Weg versperrte, zusätzlich zu den beiden Wachtposten, von denen einer aus seinem kleinen Betonhaus trat.
»Laß mich nur machen«, flüsterte Julia.
Der Soldat kannte sie. Unter seinem Stahlhelm verzog sich das Gesicht zu einem Lächeln. Der Atem dampfte vor den Lippen. »Schon wieder hier, Miß Horn?«
Julia riß sich zusammen. Ihr Herz klopfte laut. Sie hatte das Gefühl, daß der Mann es hören konnte. Hoffentlich merkte der Soldat nichts. Die Ausrede hatte sie sich schon zurechtgelegt. »Ich habe noch etwas vergessen, sorry.«
»Okay, Miß Horn.« Dann schaute der Soldat Shao an. »Und was ist mit der Lady dort?«
»Sie ist eine Freundin.« Der Satz kam ihr glatt über die Lippen.
»Der Passierschein?«
»Den hat sie nicht.«
Der Soldat hob die Schultern. »Es tut mir außerordentlich leid, aber sie muß hier warten oder in unserem Wachhaus, wo es wärmer ist. Sie können natürlich gehen, Miß Horn.«
Julia hätte am liebsten losgeflucht. Statt dessen zwang sie sich zu einem Lächeln. »Bitte, können Sie nicht eine Ausnahme machen? Das ist doch nicht schlimm.«
»Ich habe meine Vorschriften.«
»Weiß ich, Bill. Hat mein Vater auch immer gesagt. Er steht jetzt am Golf, und Sie erzählen mir was von irgendwelchen Vorschriften. Das paßt doch njcht zusammen.«
»Weiß ich selbst, Miß Horn…«
»Dann geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß. Spione sind wir nicht, außerdem sieht es keiner.«
Julia hatte den guten Mann in eine Zwickmühle gebracht. Er hatte sich tatsächlich zwischen zwei Stühle gesetzt und wußte nicht, auf welche Seite er rutschen sollte.
»Nun?«
Bill schaute sich um wie ein Dieb in der Nacht. Dann nickte er. »Ja, es ist gut. Sie können passieren.«
»Danke, Bill, Sie sind ein Schatz.« Julia drehte sich um. »Komm, Shao, wir holen die Sachen eben ab.«
Die Chinesin lächelte, als sie den Wachtposten passierte. Sie lächelte auch weiter, als Julia Horn kalkbleich wurde und zitternd ausatmete.
»Himmel, das war knapp.«
»Hast du daran gezweifelt?«
»Ja, Shao, das habe ich. Soldaten können manchmal große Sturköpfe sein. Ich entstamme selbst einer Soldatenfamilie. Da hat es oft genug gekracht, das kannst du mir glauben.«
»Klar.« Shao drehte sich um. »Sag mir nur, wohin wir müssen!«
Julia umfaßte ihren Arm und zog sie mit. »Komm weiter, Mädchen. Der Bau liegt etwas versteckt.«
»Dann sind sie nicht im Hotel?«
»Nein.«
»Warst du schon da? Hast du etwas von den Besprechungen mitbekommen?«
»Ich doch nicht. Nein, das sind Vordiskussionen über eine eventuelle Zusammenarbeit. Man will gegenseitig Informationen austauschen. Der eine soll vom anderen profitieren.« Da Shao in die Worte hineinlachte,
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