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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hob die Plane hoch, half Ninotschka, einzusteigen, und kroch hinterher. Er zog die Felldecken und die Plane über sie, als schlösse er ein Zeltdach.
    Sie lagen zwischen Kisten und Säcken voll Kartoffeln und Gemüse, Maiskörnern und Trockenfisch auf einigen Bündeln Heu. Hier war es warm und bequem, und in den nächsten Stunden waren sie sicher vor allen Kontrollen. Draußen tobte der Sturm, ließ die Schlitten manchmal hin und her schwanken wie Schiffe auf hoher See und heulte schauerlich durch die Holzritzen der Fahrzeuge.
    »Ich liebe dich, Borjuschka …« Ninotschka öffnete ihren Pelzmantel. Borja legte seinen Kopf auf ihre Brust, atmete tief den Duft ihres Körpers ein und streichelte sie dabei. Die Zärtlichkeit, die sie empfanden, ließ sich mit Worten nicht ausdrücken. So schwiegen sie, fühlten nur sich, vergingen vor Verlangen und vergaßen alles um sich her.
    Der Sturm wütete, als solle die Welt untergehen, warf Schneemassen über die Schlitten und deckte sie zu. Auch Borjas Schlitten schneite ein, aber die beiden Menschen merkten es nicht. Sie hörten kein Windgeheul, sie spürten nicht die Kälte, die durch die Ritzen drang, sie fühlten nur sich, die Wärme ihrer vor Liebe brennenden Körper und ihre Hingabe.
    Es war ihre Hochzeitsnacht – im Heu, zwischen Säcken voller Zwiebeln und Kartoffeln, begleitet von der wilden Melodie des Sturms.
    »Ich liebe dich, Borjuschka!« Ninotschka umfaßte das Gesicht ihres Mannes. »Und wo zwei Menschen sich lieben, ist überall das Paradies.«
    Der Sturm dauerte sieben Stunden. Als er abflaute, war keine Schlittenkolonne mehr zu sehen, sondern nur noch eine Menge weißer Hügel. Die struppigen Pferdchen wühlten sich zuerst aus den Schneemassen hervor. Sie stießen mit den Köpfen durch die Schneehaufen, schnaubten, blickten sich um und wieherten hell. Es war wie ein Symbol: Das Leben geht weiter.
    Am Morgen kehrten die Kosaken zurück und halfen, die eingeschneiten Schlitten freizuschaufeln. Man wußte nicht, wo man über den Jenissej setzen konnte.
    Sie hatten einen Führer mitgebracht, der ihnen den Weg wies.
    Im Lager der Frauen blickte die Fürstin Trubetzkoi Ninotschka mit zusammengekniffenen Augen an, als sie, in ihren Mantel gehüllt, plötzlich wieder auftauchte.
    »Sie waren lange fort, Ninotschka Pawlowna«, sagte sie. Und als Ninotschka schwieg, fügte sie hinzu: »Es ist kein Vergnügen, auf der Landstraße ein Kind zu bekommen.«
    »Es soll ein Sohn werden«, sagte Ninotschka beinahe feierlich. »Und später ein Mann, der zu diesem Land hier Heimat sagt. Wenn es Tausende von jungen Männern sagen, wird Rußland groß und unbesiegbar sein.«
    »Aber zuerst müssen Sie Ihr Kind im Straßengraben zur Welt bringen, meine Liebe. Welch eine Dummheit! Glauben Sie, ich hätte keine Gelegenheit gehabt, mich mit meinem Mann irgendwo zu verkriechen? Wenn wir alle das täten, welch ein Bild! Voran die Verbannten, die ›toten Seelen‹, und hinterher ihre schwangeren Frauen! Ninotschka, Sie vernichten sich selbst damit!«
    »Es war unsere Hochzeitsnacht, Fürstin«, sagte Ninotschka leise. »Jetzt erst bin ich wirklich Borjas Frau. Und jetzt fürchte ich auch Sibirien nicht mehr … und wenn wir bis zum Eismeer wandern müssen.«
    »Warten wir es ab.« Die Trubetzkoi hob den Deckel von dem dampfenden, brodelnden Teekessel und steckte eine Kelle hinein.
    »Der Tee ist fertig!« rief sie mit lauter Stimme durch das Lager. »Anstellen, meine Herrschaften! Und bei der Gräfin Wolkonsky gibt es Brot … anstellen!«
    Oberst Globonow kroch aus seinem Schlitten. Mit diesen Frauen lohnt es sich zu leben, dachte er. Ein Jammer, daß man selbst ein alter verkrüppelter Kerl ist, der zu nichts mehr taugt, als Verbannte nach Sibirien zu führen.
    Bald darauf erreichten sie Irkutsk. Diese Stadt am Baikalsee, von der man sich in den Salons von Petersburg erzählt hatte, daß der dortige Gouverneur wie ein Zar herrsche. Er unterhielte eine eigene Armee, wohne in einem Palast, der der Sommerresidenz des Zaren in nichts nachstände, hielte sich chinesische Mätressen und ließe sich in vertrautem Kreis auch als ›Kaiser von Sibirien‹ bezeichnen.
    Seine Berichte nach Petersburg waren karg. Die Kontrolleure des Zaren erzählten auch wenig – man munkelte, sie seien bestochen worden.
    Und nun fuhren die Deportierten und ihre Frauen durch dieses sagenhafte Irkutsk, das einen eigenen Kreml besaß, schöne, große Häuser aus Holz, mit Schnitzereien verziert, bemalt von

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