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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Männern, die den Mut hatten, ein neues Zeitalter zu proklamieren. Hier in Sibirien ist es bereits angebrochen, nur die wenigsten haben das bis jetzt gemerkt. Ein Russe braucht Zeit, um sich an die Freiheit zu gewöhnen.«
    »Freiheit in der Verbannung?« rief Ninotschka. Sie war den Tränen nahe.
    »Das ist unser Geheimnis, Madame.« Abduschej winkte, und die Lakaien begannen, die Suppe auf die Teller zu füllen. »Wir entwickeln uns aus den dunklen Ecken heraus. Das ist das Unheimliche, das ein Nichtrusse nie verstehen wird.«
    Sie blieben acht Tage in Irkutsk. Acht Tage der Hoffnung, der Pläne, der Zuversicht. Fast begannen sie, Sibirien zu lieben.
    Aber am neunten Tag wurde plötzlich Oberst Globonow abgelöst. Den Transport übernahm ein Hauptmann Grigorij Matwejewitsch Gyrewski. Und er begrüßte jeden Gefangenen, indem er ihm ins Gesicht spuckte und sagte:
    »Das ist die letzte menschliche Wärme, die ihr zu fühlen bekommt!«

X
    Ab Irkutsk änderte sich alles, und der Transport wurde zu einer unbeschreiblichen Qual. Es begann schon auf der ersten Poststation, auf dem Weg nach Tschita.
    Hauptmann Gyrewski befahl den Deportierten, aus den Schlitten zu steigen und eine große Strecke zu Fuß zu gehen. Das war qualvoll. Die Straße war vereist, die Sträflinge glitten aus, die Ketten an den Füßen hinderten sie und wurden nach ein paar hundert Metern zentnerschwer. Keuchend stampften die Männer über die Straßen, während die Schlitten mit fröhlichem Glockengeläut hinter ihnen herfuhren.
    »Die Pferde müssen geschont werden!« hatte Gyrewski gebrüllt. »Pferde sind in Sibirien wichtiger und wertvoller als Menschen! Wollen die feinen Herrchen wohl die Beine in die Hand nehmen, he! Immer nur in der Kutsche fahren, das ist vorbei! Ihr seid Verbrecher wie alle anderen. Keine gebratenen Hühnchen fliegen euch mehr ins Maul, hier muß die Hand voll Kascha verdient werden! Los, los, wer stehen- oder liegenbleibt, wird ausgepeitscht!«
    »Wir müssen ihn eines Nachts erwürgen«, stöhnte Lobkonow, »sonst überleben wir den Transport nicht!« Es war während einer Rast. Seitlich der Straße lagen die Männer wie hingeworfen im Schnee und rangen nach Atem. Ihre Ketten waren von Eis überzogen und scheuerten in das blanke Fleisch. Murawjeff hatte die Schwänze seines Fracks geopfert, sie abgeschnitten und um die Ketten gewickelt. Wolkonsky erneuerte jeden Tag seine Strohwickel um die Füße, Trubetzkoi tat so, als seien die Ketten gar nicht vorhanden. Und Borja Tugai hatte sich einen Strick um den Hals gebunden und trug die Kette daran.
    Auch die anderen Deportierten dachten sich immer neue Arten aus, wie man die Eisenlast am besten transportieren konnte. Aber was man auch tat, mit den Ketten stundenlang durch Eis und Schnee zu marschieren, war teuflisch.
    Gyrewski trennte nun auch die Frauen von den Männern. Sie durften nicht mehr für sie kochen, mußten Abstand halten, mehrere hundert Meter von ihnen entfernt ihr Lager aufschlagen und wurden von einer Kosakenabteilung bewacht, als seien sie Schwerverbrecher.
    Es nützte auch nichts, daß die Frauen einen Kutscher als Meldereiter zurück nach Irkutsk schickten, um sich beim Gouverneur zu beschweren. Der Reiter wurde von den Kosaken abgefangen und ohne viel Federlesens auf der Stelle erschlagen.
    »Uns bleibt nur noch eine Möglichkeit«, sagte eine der Frauen, als sie wieder einmal in Sichtweite ihrer Männer das Lager aufschlugen, umringt von Kosaken, die man weder mit Rubeln noch mit Geschenken bestechen konnte. »Wir müssen Gyrewski auf irgendeine Weise gefügig machen. Er ist ein Mann, und darum sollte sich eine von uns für alle anderen opfern und seine Geliebte werden. Auch wenn ihr dabei speiübel wird … es geht um unsere Männer! Schwestern, Sibirien verlangt Opfer, das wußten wir im voraus. Und dieses Opfer wird vielleicht noch das geringste sein.«
    Aber keine der Frauen war freiwillig zu einer solchen Tat bereit. »Dann losen wir eben aus«, sagte Ninotschka heiser. »Wen es dann auch trifft … es ist Schicksal …«
    Sie alle schrieben ihre Namen auf Zettel, rollten sie zusammen, und dann ging die Fürstin Trubetzkoi mit einem Kochtopf herum und sammelte die Zettel ein.
    Die Gräfin Wolkonsky verband Ninotschka die Augen und führte sie an den Kochtopf. Langsam griff Ninotschka hinein, wühlte mit den Fingern in den Losen und zog schließlich eines heraus.
    Atemlose Spannung herrschte, als die Fürstin Trubetzkoi den Zettel aufrollte.
    »Wer

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