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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Oberst.«
    Globonow sah Ninotschka und die Trubetzkoi sinnend an. Er zog an seiner Pfeife und schüttelte dann den Kopf. »Ich werde Tschita nicht mehr verlassen. Denken Sie an meine Worte, meine Damen. Ich bin müde … irgend etwas in mir macht nicht mehr mit. Es ist wie ein Feind, den man nicht kennt und den man deshalb nicht bekämpfen kann. – So, und jetzt habe ich Durst auf einen Wodka, meine Damen. Ich weiß, Sie haben noch vier Fäßchen in Ihrem Vorrat. Heraus damit!«
    Da lag Tschita, die Stadt, die von den Sträflingen lebte, jenseits des Flusses Schilka, ein armseliger Haufen von Holzhäusern bis auf das große Kommandanturgebäude, von dessen Dach die zaristische Fahne wehte. In der Ferne zeichneten sich verschwommen die Berge von Iks im Sonnenglast ab, zogen sich lange dunkle Streifen über den Horizont – die Wälder der Taiga, die hier der Steppendürre hatten weichen müssen.
    Man hatte in dem Ort Nowo Dorrasum die Schlitten endlich gegen Kaleschen und die plumpen, aber sehr stabilen Tarantas eintauschen können. Das waren vierrädrige Karren mit starken Deichseln und Achsen, die die Menschen ordentlich durchrüttelten aber trotz der aufgerissenen Straßen nicht zerbrachen.
    Nun war man einigermaßen gut ausgerüstet, konnte den Fluß an einer Furt überqueren und nach Tschita hineinfahren. Es waren jammervolle Gestalten, die da ankamen, mit zerrissenen Kleidern, vom monatelangen Marsch ausgelaugt und abgemagert bis auf die Knochen.
    Die Frauen sahen nicht viel besser aus, und die Fürstin Trubetzkoi sagte am Ufer der Schilka, bevor sie übersetzten: »Schwestern, sollen wir so vor den Kommandanten treten? Wenn wir auch vieles verloren haben, wir sind immer noch Frauen.«
    Und so kam es, daß die Frauen, während die Männer nach Tschita hineinfuhren, am Fluß lagerten. Sie bürsteten ihre Kleider aus, ließen sich von den wenigen Dienerinnen, die mitgezogen waren, das Haar frisieren und setzten sich zum Schluß die großen Sommerhüte auf. Als dann die Tarantas-Kolonne endlich durch die Furt ratterte, saßen die Damen auf den Sitzen, als führen sie in St. Petersburg spazieren, elegant und sommerlich gekleidet.
    Die Burjäten und Soldaten rissen die Augen auf und stießen sich an, um zu merken, daß sie nicht träumten. Und während die Sträflinge in ein Lager aus Holzhütten geführt wurden, hielt die Wagenkolonne der Frauen vor der Kommandantur. Oberst Globonow hatte den Befehlshaber der südsibirischen Truppen bereits darauf vorbereitet, was ihn erwartete. Aber als General Artem Kusmajewitsch Schejin jetzt ins Freie trat, stockte ihm doch der Atem.
    »Das hat Sibirien noch nicht gesehen«, sagte der General leise zu Globonow. »Und sie wollen wirklich hinauf nach Jenjuka?«
    »Es ist ihr einziges Ziel.«
    »Sie werden dort eingehen wie Blumen ohne Wasser.«
    »Diese Frauen nicht! Sie haben den Marsch bis Tschita überlebt, sie schaffen auch noch das letzte Stückchen nach Norden.« Globonow suchte nach seiner Pfeife. »Mein lieber Artem Kusmajewitsch, es heißt, Liebe versetze Berge. Hier hat sie Berge versetzt.«
    Obwohl der Kommandant Mühe hatte, die Damen anständig unterzubringen, denn Tschita war ein armseliges Nest, gab General Schejin am Abend ein kleines Fest.
    Man aß schwarzgeräuchertes Fleisch, Piroggen und Gurkengemüse, mit Honig gefülltes Maisgebäck und kandierte Früchte. Und Globonows Befürchtung, es könne sich wiederholen, was in Irkutsk passiert war, bewahrheitete sich nicht. Die Damen schienen heute friedlich zu sein, sie aßen mit Freude und fragten nicht, ob ihre Männer auch gebratenen Stör erhielten und geschlagene Sahne zu den Walderdbeeren.
    In der Nacht allerdings schlichen zwei Frauen durch Tschita, um sich nach den Männern zu erkundigen. Sie taten es auf altbewährte russische Weise: Sie ließen ein paar Goldrubel in die Hände einiger Burjäten fallen und gewannen damit Freunde, die ihnen bereitwillig Auskunft gaben.
    Als die Frauen zurückkamen, wußten sie, daß die Männer in drei Hütten innerhalb des Militärlagers untergebracht worden waren. In vier Wochen würden sie weiterziehen. Und man hatte ihnen die Ketten abgenommen.
    »Welch eine Gnade!« rief Maria Wolkonsky.
    »Und welch ein Beweis, daß wir am Ende der Welt sind!« Ninotschka starrte hinaus in die Nacht. In der Ferne heulten Steppenhunde, ein heißer Wind wirbelte Staub durch die Straßen. »Hier braucht man keine Fesseln mehr. Von hier kehrt keiner nach Europa zurück.«
    Die Frauen

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