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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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ihre einzelnen Trupps und deren Vorrücken nicht einmal durch das dichte, hohe Laubwerk hindurch richtig erkennen. Wie dieses Alarmsystem allerdings aussehen sollte, dazu hatte er keine Ahnung. Aus irgendeinem Grund glaubte er an nichts Mechanisches, so wie gespannte Stricke oder andere Fallen, die sie im Vorwärtsgehen auslösten, sondern an etwas … nun ja, etwas Ungreifbareres. Er musste an das riesige Steingesicht denken, unter dem er beim Passieren eines Schuttberges bei ihrer Senphoren-Mission im Saikranon hatte hindurchkriechen müssen und an die Anwesenheit einer Kraft, die er lastend auf sich gespürt hatte. Das ließ ihn vermuten, dass den Kinphauren andere Hilfsmittel und Techniken zur Verfügung standen als die, wovon die Wissenschaft der Idirer wusste. Und dass die kinphaurischen Agenten aus dem Kernland ihren Vettern in Kvay-Nan einige davon verraten hatten, damit sie dadurch ihrem gemeinsamen Feind, dem Idirischen Reich schaden konnten, damit war sicher zu rechnen.
    Sie folgten mit ungebrochener Wachsamkeit aber stetem Tempo dem Lauf des Flusses zunächst nach Süden hin. Als er dann in allmählicher Biegung seinen Verlauf Richtung Westen hin änderte, trafen sie auch auf einen Uferstreifen, dem sie folgen konnten. Seit sie auf den Fluss getroffen waren, hatten sie keine feindlichen Trupps mehr bemerkt, und Auric rechnete eigentlich auch nicht damit, dass dieser Teil des Flussverlaufs vom Feind überwacht wurde. Die Kommandos der Spitzohren konzentrierten sich darauf, die Trupps zu dezimieren, die sich der Festung näherten; dieses Gebiet jedoch war für sie von minderem Interesse. Das würde sich erst ändern, wenn sie in den Grenzbereich des Beckens kamen. Dennoch ließ er ihren Marschweg, jetzt wo sie sich am Uferstreifen ins Freie wagten, sorgfältig von Spähern sichern.
    Am späten Nachmittag befand er, dass sie eine Rast brauchten, nicht zuletzt mit Blick auf die mit leeren Augen sich dahinschleppenden Verletzten, die immer öfter stürzten, sie dadurch aufhielten und den Marsch zu einem nervenaufreibend lähmenden Sichvorwärtskämpfen machten. Die Verwundeten brauchten dringend eine Pause und mussten von ihren spärlichen Feldschern versorgt werden. Der Ort bot sich an: Der Uferstreifen war hier besonders breit und die Vegetation an seinem Rand lichtete sich hier stärker als gewöhnlich.
    Er schickte Czand aus, um Wachen zu organisieren, und während sich Soldaten überall im Umkreis auf ihre Posten verteilten, sah er, wie nach und nach kleinere Gruppen zwischen die Bäume sickerten und sich dort niederließen. Murmeln und gedämpftes Stöhnen drang von überallher zu ihm herüber.
    Er drehte sich um und blickte zurück, um einen Blick auf die von ihnen bewältigte Strecke und das hinter ihnen liegende Flussufer zu werfen. Da sah er ihn endlich, ihren Feind, die steinerne Faust der Kinphauren.
    Der Fluss öffnete einen Ausblick, indem er eine Bahn in die in üppigen, wenn auch dunstgebleichten Grüntönen wuchernde Landschaft schnitt. Hinter der weiten Biegung der braunen Fluten stieg Dampf aus dem Urwald, und wie schwebend auf diesen Schwaden sah er die weit entfernten bewaldeten Umrisse ansteigender Buckel. Dort hineingerammt wie eine gigantische Speerspitze thronte die schwarze Festung Jhipan-Naraúk. Als hätte sie das Land durchbohrt und ihm Gewalt angetan, war rings um sie her die Erde aufgeworfen und in steilen, sich wölbenden Lehnen und Halden Lage um Lage hochgetürmt. Die verwulsteten Narben und Schmarren waren bis auf die durchbrechenden dunkel kantigen Trümmer des Rings der Vorbollwerke vom Grün zurückerobert und überwuchert worden. Darüber ragte dann dunkel, steil und glatt die Festung selber auf, monolithisch und unanfechtbar, in gewaltiger, kantiger, schroffer Herrschaft über alle umgebende und unterworfene schwül dampfende Weite. Von keinen Verzierungen, keinen Simsen wurde ihre rohe Gewalt gedrosselt; sie war glatter Stein, der sich von der Erde in den Himmel bohren wollte. Sie dröhnte und bebte.
    Ja, jetzt wo er sie sah, nahm er es wahr.
    Es war die ganze Zeit da gewesen, eine aus den Tiefen jenseits der Wahrnehmung drängende Präsenz, die Fundamente der Materie durchsetzend. Die Herrscherin sang ihren dumpfen, Knochen zermalmenden Throngesang.
    Wieder überkam Auric die Erinnerung an die verlassene Feste im Norden. Auch jenes Bauwerk hatte gesungen. Aber es war ein tiefer Nachhall aus dunklen Brunnen gewesen. Dieser Gesang hier war näher an der Oberfläche.

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